Erinnerung und Mahnung
Hufeisern gegen Rechts lädt ein:
Samstag, 18. Juni 2022, um 15:00 Uhr
Stolpersteinrundgang in der Hufeisensiedlung
Treffpunkt: U-Bhf. Blaschkoallee (U 7), Ausgang Stavenhagener Str.
Hinter jedem Stolperstein und jeder Gedenktafel steckt ein Mensch, eine Geschichte, ein Schicksal.
14 Steine sind mittlerweile in der Hufeisensiedlung eingelassen. Sie erinnern an die Verfolgung während der nationalsozialistischen Herrschaft, aber auch an Widerstand gegen Gewalt und Unterdrückung, an den Einsatz für ein anderes, besseres Deutschland.
Wir wollen an diesem Tag sechs dieser ehemaligen Bewohner*innen der Siedlung gedenken, ihre Steine putzen und uns ihren Geschichten widmen.
Der etwa einstündige Rundgang findet im Rahmen der Ausstellung „Stolpersteine in Neukölln - Erinnerungskultur von unten” statt, die bis zum 30. Juni in der Galerie „Olga Benario” in der Richardstr. 104, 12043 Berlin (Nähe U-Bhf. Karl-Marx-Str.) während der Öffnungszeiten Mo, Di, Do + Fr 15:00 - 19:00 Uhr zu sehen ist.
Sie sind herzlich eingeladen.
19. März 2022 - Internationaler Tag gegen Rassismus
Auch in diesem Jahr demonstrieren wir an diesem Tag gegen Rassismus und Antisemitismus sowie für ein demokratisches Miteinander in Neukölln.
Gemeinsam mit der Bürgerinitiative „Rudow empört sich” und vielen weiteren Bündnissen ruft „Hufeisern gegen Rechts” zur Bildung einer Menschenkette in Alt-Rudow auf.
Treffpunkt: Alt-Rudow, Ecke Neudecker Weg,
11:00 Uhr
Nahezu jeden Tag finden rassistische Beleidigungen und Tätlichkeiten gegenüber Menschen aus anderen Kulturen in U-, S- und Straßenbahnen, in Geschäften und Gaststätten, in Verwaltungen und Betrieben, kurz: im alltäglichen Leben statt.
Auch in Britz finden wir antisemitische Schmierereien, rassistische Aufkleber und Plakate sowie tätliche Angriffe auf Menschen mit anderen kulturellen Wurzeln.
Die Neuköllner Bevölkerung wird die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft, sei es der Arbeits-, der Wohnungsmarkt, die Verkehrssituation, die Bildungsschranken oder Armutsentwicklung, nur gemeinsam lösen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion.
Für ein solidarisches Neukölln, frei von Gewalt und rassistischer Ausgrenzung.
Anwohner*innen bilden eine Menschenkette um den Hufeisenteich:
Für eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts!
Um 18:15 Uhr war die Menschenkette geschlossen. 250 Anwohner*innen der Hufeisensiedlung waren dem kurzfristigen Aufruf der SJD-Die Falken, des DGB-Neukölln und von Hufeisern gegen Rechts gefolgt, um gegen den militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine zu demonstrieren.
Unter der Überschrift „Die Waffen nieder!” forderten sie den Rückzug der russischen Soldaten aus dem Staatsgebiet der Ukraine und die Rückkehr an den Verhandlungstisch.
Nur so könne die in Europa mühsam errungenen Rechtsnormen zwischenstaatlicher Beziehungen wiederhergestellt werden.
Nichts rechtfertige die mit der völkerrechtswidrigen Invasion verbundenen Kriegsfolgen: Panzer und Bomben bedeuten Zerstörung, Tod und Elend.
In erster Linie seien Zivilisten, Frauen, Männer und Kinder, von den Auswirkungen betroffen.
Vor allem ihnen gilt unsere Solidarität.
„Menschenrecht statt Faustrecht” heißt die Botschaft aus der Hufeisensiedlung am Abend des 26. Februar 2022.
nach oben DruckversionGemeinsam gegen Antisemitismus und Neonazismus
Insgesamt ca. 130 Menschen gedachten am Donnerstag, dem 27. Januar 2022, als Einzelpersonen oder in kleinen Gruppen, auf dem Platz vor der Hufeisentreppe in der Zeit von 10 bis 16 Uhr der Befreiung von Auschwitz und der Opfer des Nationalsozialismus.
Gezeigt wurde ein knapp achtminütiger Film, in dem der Auschwitz-Überlebende Otto Dov Kulka aus dem Buch „Landschaften der Metropole des Todes” Bruchstücke seiner Erinnerungen an das KZ Auschwitz, seine immer wiederkehrenden Bilder und Träume schildert.
Im Ergebnis entsteht eine beeindruckende Reflexion, die bei dem Zuschauer/-hörer die Wahrnehmung der Vergangenheit verändert.
Viele Menschen in der ‚Welt nach Auschwitz’ haben nichts oder nicht allzu viel aus der Geschichte gelernt.
Sie erinnern sich lediglich schnell daran, dass das Vergessen-Können das beste Überlebensmittel ist.
Sie haben wieder oder weiterhin ihre Lieblings-Feindbilder und Sündenböcke, sie pflegen ihre Ressentiments und Vorurteile.
Und sie scheinen aus allem kurzfristig immer unbeschadet hervorzugehen.
Doch Kulkas Sichtweise zeigt, dass Vergangenheit tatsächlich nicht vergeht, ja nie vergangen ist. Seine Erinnerungen wirken gegenwärtig.
Auch wenn man weiß, dass einmal Verlorenes unwiederbringlich verloren ist, dass Tote nicht wiederaufstehen, wird es von ihm über sein Zur-Sprache-Bringen wiederbelebt und dem Vergessen entrissen.
Die gelesenen Fragmente wirken als ein vorläufiges Résumé: Kein Schlussstrich, solange die Erinnerung lebt.
Kulka spricht über Szenen seiner Kindheit, nicht um sie zu analysieren oder zu deuten.
In ihnen zeigt er Formen und Mechanismen von Gewalt und Hilflosigkeit, die das Leben in Auschwitz charakterisierten, die Auschwitz erst ermöglichten, die es in etwas anderer Form immer noch gibt und die daher heutzutage uns alle angehen.
Niemand soll sich in der heutigen Zeit herausreden können.
Letzteres gilt auch in unserer Siedlung.
In der Nacht vom 25. auf den 26. Januar verteilte die Neonazi-Vereinigung „Der III. Weg” in der Fritz-Reuter-Alle Hasspamphlete, in denen unter der Überschrift „Mietwahnsinn” die Ursache für steigende Mieten und den Mangel an sozialem Wohnraum in Geflüchteten sowie allen „Fremdländern” gesehen wird.
Wieder gibt es Sündenböcke, die für eine gesellschaftliche Entwicklung verantwortlich gemacht werden, auf die sie gar keinen Einfluss haben. Geflüchtete erklärt „Der III. Weg” kurzerhand zu Tatwerkzeugen von anonym aus dem dunklen Hintergrund operierenden ausländischen Spekulanten und Mächten, die als Drahtzieher deutsche Familien zugrunde richten wollen.
Das Ziel ist durchschaubar: Die Mieter sollen rassistisch kategorisiert und in „gute Deutsche” und „schlechte Migranten” gespalten werden.
Auf diese Weise wird von den eigentlichen Verursachern der Mietsteigerungen abgelenkt.
In einer aus Menschen unterschiedlicher Kulturen bestehenden Neuköllner Einwohnerschaft können soziale Rechte nur verteidigt und verbessert werden, wenn wir alle unabhängig von unserer Herkunft und Kultur zusammenstehen.
Rassismus und völkischer Wahn haben schon einmal Deutschland zugrunde gerichtet. Auch dafür steht der Name Auschwitz.
Vereinigungen wie „Der III. Weg”, die sich bewusst in die Tradition der Nationalsozialisten stellen und deren Verbrechen entweder gutheißen oder kleinreden, haben weder in der Hufeisensiedlung noch anderswo eine Existenzberechtigung.
Sie gehören auf den Müllhaufen der Geschichte, ihre Flyer und Broschüren entsprechend in den Papiermüllcontainer.
Ein Zeichen gegen den heutigen Antisemitismus! Zwei neue Stolpersteine für Eleonore und Elisabeth Rosenthal
Am Montag, dem 20. Dezember 2021, wurden auf Initiative einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Fritz-Karsen-Schule und dem Museum Neukölln vor der ehemaligen Wohnung von Eleonore und Elisabeth Rosenthal in der Buschkrugallee 250a zwei Stolpersteine verlegt.
Nachdem der Ingenieur Heino Rosenthal eine Arbeitsstelle in Moskau angenommen hatte, zogen die in Deutschland verbliebene Ehefrau mit ihrer gemeinsamen Tochter 1933 in die Hufeisensiedlung.
Kurz nach ihrem Einzug bekamen die beiden Jüdinnen hautnah den nationalsozialistischen Terror zu spüren.
Der mit der Familie befreundete antifaschistische Dichter Erich Mühsam wurde abgeholt und in Haft genommen.
Seine Frau Zenzl suchte bei Eleonore Trost und Schutz.
So erfuhr Elisabeth schon mit fünf Jahren, was es mit einem Konzentrationslager auf sich hatte.
Auch lernte sie sehr früh, dass in dieser Zeit Schweigen nicht nur Gold, sondern auch Leben Wert war.
Versteckte doch ihre Mutter, obwohl selbst drangsaliert, die Frau des untergetauchten Kommunisten Friedrich Grünberg und deren Kinder über einen längeren Zeitraum in ihrer Wohnung.
Während die Mutter sich mit Kurzzeittätigkeiten und gelegentlichen Spenden der „Roten Hilfe” durchschlagen musste, bekam Elisabeth zunehmend den wachsenden Antisemitismus in ihrer Schulklasse zu spüren.
Lediglich ihre von den Nazis als „Halbjüdin” deklarierte Freundin Hannah Schmelzer (Familie Schmelzer gelang 1939 die Emigration nach England) sowie die Tochter der nichtjüdischen Familie Krause, Käthe Krause, hielten zu ihr.
Vor allem Familie Krause unterstützte die beiden Rosenthals, wo sie nur konnte.
Schließlich gelang es Eleonore, ihre Tochter 1939 mit einem Kindertransport nach England zu schicken.
Sie selbst folgte kurze Zeit später. Eleonore Rosenthal ist 1996 in England verstorben, ohne dass sie Berlin jemals wiedergesehen hat.
2019 starb auch Elisabeth Rosenthal.
Sie hat nicht nur ihr Leben lang mit ihrer Freundin Käthe und deren Familie in enger Brieffreundschaft gestanden, sondern 2013 im Rahmen der Ausstellung des Museums Neukölln Das Ende der Idylle? Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung in Britz vor und nach 1933 ihre jüngere Freundin Hannah Schmelzer wiedergetroffen.
Die Erinnerung an Ausplünderung, Unterdrückung und Verfolgung, an die Vernichtung jüdischen Lebens an allen Orten, an denen faschistische Herrschaft wütete, darf in der heutigen Zeit nicht verloren gehen.
Wenn Menschen, wie in jüngster Zeit in Berlin und auch in der Hufeisensiedlung geschehen, wegen des Tragens oder Zeigens religiöser Symbole des Judentums tätlich angegriffen oder bedroht werden,
wenn Verschwörungserzählungen von „jüdischen Drahtziehern und Raffenden” im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen Corona-Infektionsschutzmaßnahmen die Runde machen,
dann verweist die Erinnerung an den faschistischen Antisemitismus darauf, dass die Grenze von Toleranz nicht nur erreicht, sondern längst überschritten ist.
Die 70 Anwesenden klatschen immer wieder Beifall, wenn die Schülerinnen und Schüler der Fritz-Karsen-Schule sowie die Redner*innen des Museums Neukölln und aus der Bezirkspolitik die Stolpersteinverlegung nicht nur als Erinnerung an die Schrecken der nationalsozialistischen Vergangenheit, sondern auch als Aufforderung zum Handeln in der Gegenwart bezeichneten.
So stand am Ende der Würdigung der beiden jüdischen Frauen die Forderung an die Anwesenden:
Gemeinsam gegen jeglichen Antisemitismus!
9. November 1938 und 2021 in der Hufeisensiedlung - Nachbarinnen und Nachbarn erinnerten an den antisemitischen Terror damals und heute.
Etwa 150 Menschen waren dem Aufruf des Neuköllner KV des DGB, der Neuköllner Falken und der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts gefolgt, um an das Pogrom von 1938 zu erinnern und Schlussfolgerungen für die Auseinandersetzung mit dem heutigen Antisemitismus zu ziehen.
Der erste Teil des Gedenkens fand vor dem ehemaligen jüdischen Konfektionsgeschäft von Carl Baum in der Fritz-Reuter-Allee 50 statt, das von Britzer SA-Männern am Morgen des 10. Novembers zertrümmert wurde.
Vorgetragen wurden kurze Zeitzeugenberichte, die die Untat schilderten.
In einem weiteren Beitrag wurde auf die Hintergründe des Pogroms eingegangen und das Fortleben antisemitischen Denkens in der heutigen Zeit an Beispielen aus der Hufeisensiedlung geschildert.
Die Anwesenden waren sich einig, dass dieses nicht stillschweigend hingenommen werden darf, sondern die Auseinandersetzung mit ihm gesucht werden muss.
Begleitet wurde das Gedenken von Isabel Neuenfeldt, die mit von ihr vertonten Gedichten von jüdischen Frauen im Exil und in den Konzentrationslagern einfühlsam vor, zwischen und nach den Reden die Anwesenden berührte.
Anschließend wurde in der Fritz-Karsen-Schule der Stummfilm „Die Stadt ohne Juden” gezeigt.
Der 1924 entstandene Film schildert die Vertreibung der Juden aus einem fiktiven Land als Sündenböcke für die wirtschaftliche Krise und um die rebellierenden Arbeiter zu beruhigen.
Im Gegensatz zur späteren grausamen Realität endet der Film jedoch mit der Rückkehr der jüdischen Bevölkerung, da das Land den mit der Ausweisung verbundenen wirtschaftlichen, kulturellen und menschlichen Verlust nicht mehr erträgt und das Gesetz über die Verbannung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aufhebt.
In der anschließenden Podiumsdiskussion stellten 2 Mitglieder der Falken, eine Lehrerin der Fritz-Karsen-Schule sowie ein gewerkschaftlicher Bildungsreferent Überlegungen an, wie Jugendarbeit in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen antisemitische Vorfälle und Denkmuster erlebt, verarbeitet und offensiv begegnet.
Wie notwendig diese Diskussion ist, zeigte sich am nächsten Morgen, als bekannt wurde, dass parallel zur Veranstaltung am 9. November mindestens ein neonazistischer Täter einige Straßenzüge entfernt in der Gielower Str. eine Hauswand mit einem Hakenkreuz beschmiert hat und die beiden Bewohner bereits zwei Wochen vorher während ihrer auf Hebräisch geführten Unterhaltung mit Tränengas übersprüht hatte.
Die Solidarität der Veranstaltungsteilnehmer*innen ist hier gefragt.
Gemeinsam handeln gegen rechts - dazu gibt es keine Alternative.
Niemand ist vergessen - Anwohner*innen putzten die Stolpersteine in der Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung
Am Nachmittag des 18. Septembers machten sich einige Mitglieder der Initiative Hufeisern gegen Rechts auf den Weg, um die zwölf kleinen, in die Bürgersteige der Hufeisensiedlung eingelassenen Stolpersteine wieder zum Glänzen zu bringen.
Die kleinen Denkmäler erinnern die Vorrübergehenden an von den Nazis ermordete Bewohner*innen der Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung.
Bei der Säuberung der Steine wurde in kurzen Beiträgen über das Wirken und das Schicksal der jeweiligen Person berichtet, der der Stein gewidmet ist. Auf diese Weise haben wir versucht, dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass es kein Verständnis für Gegenwart und Zukunft ohne Erinnerung an die Vergangenheit gibt.
Drei Wochen vorher hatte die Initiative zu einer feierlichen Zeremonie anlässlich der Verlegung der Stolpersteine 11 und 12 in die Talberger Str. 10 eingeladen.
Musikalisch begleitet von der Gruppe „Querbeet” verlegt Günter Demnig in Anwesenheit von 60 Anwohner*innen die beiden Steine. Sie erinnern an die antifaschistischen Widerstandskämpfer*innen Elfriede und Werner Schaumann, die den Kampf gegen das Naziregime mit Beginn seiner Herrschaft bis zu ihrer Verhaftung 1942 geführt haben.
In zwei Redebeiträgen wurde auf die heutige Bedeutung von Verfolgung und Widerstand während der faschistischen Herrschaft angesichts der ständigen Versuche rechter Bewegungen und Parteien, die deutsche Geschichte von den Naziverbrechen zu entsorgen, hingewiesen.
Vor allem Georg Weise, Sohn des Widerstandskämpfers Kurt Weise, unterstrich in seinem Redebeitrag als Zeitzeuge, unter welch schwierigen Bedingungen es nur möglich war, den ungleichen Kampf aufzunehmen und zu führen, einem Kampf, der auch die gesamte Familie betraf, ob Ehefrau oder Kind.
Das Fazit seiner Lebenserfahrungen lautet: „Nie wieder!”
Es ist unsere Aufgabe, die Feinde der Zivilisation, einer demokratischen und sozialen Gesellschaft rechtzeitig in die Schranken zu weisen. Ihr nachzukommen ist die höchste Ehrung, die wir Elfriede und Werner Schaumann sowie allen anderen aus politischen oder/rassischen Gründen von den Nazis verfolgten und ermordeten Menschen erweisen können.
Verlegung von zwei Stolpersteinen
Hufeisern gegen Rechts lädt ein:
Samstag, dem 28. August 2021, um 11:45 Uhr,
Talberger Straße 10i,
12359 Berlin (Nähe U-Bhf. Parchimer Allee)
Die beiden Stolpersteine erinnern an den Bauführer Werner Schaumann und seine Ehefrau, die Chemotechnikerin Elfriede Schaumann, die von den Nationalsozialisten ermordet bzw. in den Tod getrieben wurden.
Beide gehörten bereits unmittelbar nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten dem antifaschistischen Widerstand im Rahmen der Internationalen Arbeiterhilfe und des Arbeitersportvereins „Fichte Berlin” an.
Ab 1936 organisierten sie in Britz eine Widerstandsgruppe, die gemeinsam ausländische Sender hörte und die Informationen zur Auseinandersetzung mit der gleichgeschalteten Öffentlichkeit aufbereiteten.
Darüber hinaus gehörten sie zeitweise der Britzer Widerstandsgruppe um Hans-Georg Vötter und Joachim Franke an.
Am 23. Mai 1942 wurde Werner Schaumann und am 10. September 1942 Elfriede Schaumann von der Gestapo festgenommen.
Die Verhaftungen erfolgten in Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Nazi-Propaganda-Ausstellung „Das Sowjetparadies” am 18. Mai 1942 im Lustgarten.
Unter Folter hatte ein Beteiligter der Gestapo Namen von ihm bekannten Männern und Frauen des Berliner Widerstands genannt, von denen weitere Verbindungen erpresst wurden.
Auf diese Weise wurden viele Gruppen und Einzelpersonen, die an dem Anschlag gar nicht beteiligt waren, verhaftet, darunter auch Werner und Elfriede Schaumann und ihre Mitstreiter*innen.
Um sich den Folterverhören zu entziehen nahm Elfriede Schaumann sich nach der ersten Vernehmung am 14. September 1942 das Leben. In Ihrem Abschiedsbrief heißt es, dass sie mit ihrem Körper nicht machen lasse, was andere wollen.
Werner Schaumann wurde am 5. Februar 1943 vom Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung zum Tode verurteilt und am 11.5.1943 in Plötzensee hingerichtet.
In seinem letzten Brief schreibt er an seine Familie: „Ich bin sehr ruhig; aufrecht wie ich gelebt habe, will ich auch sterben! - Ich weiß, dass ich euch viel Schmerzen bereitet habe, aber ich konnte nicht anders handeln, wenn ich ehrlich bleiben wollte.”
Musikalisch umrahmt wird die Verlegung von der Gruppe „Querbeet”.
Sie sind herzlich eingeladen.
Erich-Mühsam-Kundgebung 2021 im Hufeisen
Ernst und unterhaltsam zugleich
Der angekündigte Starkregen blieb aus, dafür kamen mehr als 100 Menschen, um an unseren ehemaligen Nachbarn, dem Dichter und Anarchisten Erich Mühsam, auch in diesem Jahr in der Hufeisensiedlung zu erinnern.
Angesichts der zunehmenden rechten Angriffe auf Jüdinnen und Juden hatte die Initiative Hufeisern gegen Rechts die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Rassismus als Thema ihres Wortbeitrags in den Mittelpunkt gestellt.
Erich Mühsam hatte zwar seiner jüdischen Herkunft keine besondere Bedeutung beigemessen, war aber aufgrund der antisemitischen Hasstiraden der Nazis immer wieder gezwungen, nicht nur vor der existentielle Gefahr der faschistischen Bewegung für die sozialistische Arbeiterbewegung zu warnen, sondern sich auch der rassistischen Angriffe gegen ihn und generell gegen das Judentum „als ein Symptom reaktionärer Hochkonjunktur” zu erwehren.
Parallelen zu der heutigen Zeit, vor allem zu den rassistischen Anschlägen, zog der Redner der Anwohner*inneninitiative, indem er auf den rechten Terror in Neukölln hinwies, mit dem seit mehr als zehn Jahren bis in die jüngste Zeit Menschen mit Morddrohungen überzogen, Autos angezündet, Scheiben eingeschlagen sowie das Gedenken an Tote beschmutzt werden.
Um endlich aufzuklären, wie sich seit Jahren eine gewaltorientierte rechte Szene entwickeln konnte, wies er noch einmal auf die Forderung Neuköllner Organisationen und Initiativen sowie von Gewalt Betroffenen hin, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen und den Ungereimtheiten bei der Ermittlungsarbeit der Behörden einzurichten.
Auch Lienhard Böhning, Vorsitzender der Erich-Mühsam-Gesellschaft, ging in seinem Beitrag auf die Aktualität von Erich Mühsams Haltung zu rassistischen und antisemitischen Diskriminierungen ein.
Am Beispiel der am 10. Juli dieses Jahres verstorbenen Auschwitz-Überlebenden Esther Bejerano, die aus ihrer eigenen Erfahrung Rassismus und Rechtsradikalismus als größte Bedrohung menschlichen Zusammenlebens bezeichnet habe, zeigte er, wie notwendig das unermüdliche Engagement gegen jeglichen Rechtsradikalismus und für eine Verständigung von Juden, Christen und Muslime für die Verteidigung demokratischer Grundrechte in unserem Land sei.
So sei es unerträglich, dass dem Rassismus und Antisemitismus der AfD in den Talkshows und Interviews in den öffentlichen Medien eine ständige Plattform geboten werde. Dies sei einer Demokratie unwürdig und müsse vor allem angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes ein Ende finden.
Das Lebensmotto von Esther Bejenario müsse bei uns allen, die für Demokratie und Menschenrechte eintreten, Leitlinie sein und bleiben:
„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht. Seid solidarisch! Helft einander!
Achtet auf die Schwächsten! Bleibt mutig! Ich vertraue auf die Jugend, ich vertraue auf euch! Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg!”
Doch es wäre keine Veranstaltung im Sinne Mühsams, wenn nicht auch neben seiner politischen Entschlossenheit seine humorvollen, lebenswütigen und geselligen Seiten zur Sprache gekommen wären. Dafür sorgte der musikalische Beitrag von Ralf „Trotter” Schmidt, Mario „Bibi” Schulz und Ilja Plettner mit der Premiere ihres Erich-Mühsam-Programms „Da bin ich, öffne zögernd deine Tür”.
Freiheit, Rebellion und Antifaschismus paarten sich hier mit Themen wie Einsamkeit, verschmähter Liebe und sexuellen Abenteuern.
Dieser Vielfältigkeit trugen die Musiker auch dadurch Rechnung, dass sie die so unterschiedlichen Themen und lyrischen Formen mit einem breiten Spektrum an musikalischen Stilen präsentierten.
Vom Blues, rockigen Balladen über Folk mit Jazzelementen bis hin zur Anlehnung an deutsche Arbeiterhymnen bewegten sich „Trotter” Schmidt und seine Mitmusiker und verschafften den Kundgebungsteilnehmer*innen ein abwechslungsreiches, genussvolles Erlebnis, das sich auch in dem große Beifall und der Forderung nach Zugaben ausdrückte.
Ein besonderer Dank gilt der Fritz-Karsen-Schule, die uns die Musikanlage zur Verfügung gestellt hat.
Zwangsarbeit in der Hufeisensiedlung - eine verdrängte Geschichte
Anlässlich des 8. Mai 2021, dem Tag der Befreiung vom Faschismus lädt die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts zu unserer Ausstellung ein.
Samstag, den 8. Mai,
⇒ 13:00 - 17:00 Uhr auf dem Platz vor der Hufeisentreppe.
⇒ 16:30 Uhr Enthüllung einer Gedenktafel am Standort des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Onkel-Bräsig-Str. 6-8
Millionen Menschen aus den besetzten Gebieten, vor allem aus Polen und der Sowjetunion, haben die Nazis während des 2. Weltkrieges nach Deutschland verschleppt.
Als Zwangsarbeiter*innen wurden sie in nahezu allen Wirtschaftsbereichen eingesetzt, von der Rüstungsproduktion über Verkehrsbetriebe bis zu privaten Haushalten - oft unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Jahrzehntelang hat die deutsche Geschichtsschreibung dieses Thema kaum berührt.
Auch in unserer Siedlung konnte oder wollte sich lange Zeit niemand an die Existenz von Zwangsarbeiter*innen erinnern.
Und doch gab es sie.
In zwei Lagern sowie mehreren Haushalten und kleinen Gewerben lebten und arbeiteten hauptsächlich aus Polen und der Sowjetunion deportierte Zwangsarbeiter*innen.
Vor allem sie haben den Tag der Befreiung als solchen empfunden.
Mit der Ausstellung und der Gedenktafel wollen wir daran erinnern: Rassismus und Missachtung der Menschenwürde sind Verbrechen!
In unserer Siedlung haben sie keinen Platz.
Sie sind herzlich eingeladen.
Zusammen gegen Rassismus - eine Menschenkette für 100% Menschenwürde
Zum Internationalen Tag gegen Rassismus treffen wir uns
Samstag, 20. März 2021, 11 Uhr
Alt-Rudow, Ecke Neudecker Weg
Rassismus ist ein weltweites Phänomen. Deutschland und damit auch Berlin bilden hier keine Ausnahme.
Rassismus begegnet man im Parlament, in Behörden, der Polizei, auf der Arbeit, in Universitäten, Schulen und Kindergärten, in Vereinen, in Geschäften und auf der Straße.
Das Berliner Register verzeichnete im Jahr 2020 allein in Neukölln 214 rechtsextreme, rassistische und antisemitische Vorfälle.
Oft geschieht dies außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung, wie die folgenden drei Beispiele aus Britz, Buckow und Rudow belegen:
- Sieben Frauen im Alter von 15 bis 71 Jahren und ein 24-jähriger Mann wurden gegen 15.00 Uhr in der Straße Am Grünen Weg in Britz von einer 45-jährigen Frau antimuslimisch beleidigt und mit Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.
- Nicht weit von diesem Ort entfernt wurde im Januar 2021 der Gedenkort des aus rassistischen Gründen ermordeten 22-jährigen Burak Bektas zum wiederholten Male geschändet.
- Menschen und Einrichtungen, wie die Rudower Kirchengemeinde, die sich für Geflüchtete einsetzen und sich um ein soziales, demokratisches Miteinander unter der vielfältigen Neuköllner Einwohnerschaft bemühen, werden bedroht und angegriffen.
Diesen alltäglichen Rassismus wollen wir nicht hinnehmen!
Wir fordern aber auch ein eindeutiges Vorgehen von Polizei und Justiz gegen die Täter*innen.
Dazu gehört endlich ein konsequentes Vorgehen gegenüber Mitgliedern der Ermittlungsbehörden, die mit Täterkreisen bekanntermaßen sympathisieren oder diese unterstützen.
Mit völkischen Gruppierungen und Parteien darf es für Demokrat*innen keine stillschweigende Duldung, geschweige denn eine Zusammenarbeit geben. Rechten Parteien gilt es bei den Bundestags-, Abgeordnetenhaus- und Bezirksverordnetenwahlen im Herbst eine Abfuhr zu erteilen.
Deshalb demonstriert mit uns für ein Neukölln frei von Rassismus und Gewalt.
Es rufen gemeinsam auf:
Rudow empört sich, Hufeisern gegen Rechts, Bündnis Neukölln
Wir bitten um strikte Einhaltung der Infektionsschutzregeln!
Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus
An diesem Tag wurde 1945 das Konzentrationslager Auschwitz durch sowjetische Soldaten befreit.
Aus diesem Anlass zeigt die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts einen Kurzfilm von knapp 3 Minuten zur Befreiung von Auschwitz.
Wir laden Sie zu einem stillen persönlichen Gedenken ein.
Um dem Infektionsschutz Rechnung zu tragen, zeigen wir den Film in einer Dauerschleife am
Mittwoch, dem 27. Januar 2021,
von 9 bis 16 Uhr
auf dem Platz vor der Hufeisentreppe vor dem Haus Fritz-Reuter-Allee 50.
Nach Aussage des KZ-Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß, wurden in dieser nationalsozialistischen „Todesfabrik” 1,135 Millionen Menschen ermordet, davon ca. 1 Million Jüdinnen und Juden.
Darüber hinaus kamen mindestens 70.000 Polen, 21.000 Roma, 14.000 sowjetische Kriegsgefangene sowie 10.000 Tschechen, Belarussen und andere Opfer ums Leben.
Lediglich 7500 lebensbedrohlich unterernährte Häftlinge befanden sich noch am 27. Januar 1945 auf dem Lagergelände.
Sie hatten die NS-Mordmaschinerie überlebt, die gnadenlose Ausplünderung ihrer Arbeitskraft als Arbeitssklaven in den dem Lager angeschlossenen Fabriken des deutschen Chemiekonzerns IG Farben sowie in weiteren 47 Bergwerken, Industrieanlagen und landwirtschaftlichen Betrieben.
Ausgebeutet wurde aber nicht nur die Arbeitskraft der Deportierten: Jeglicher Besitz, ihre Kleidungsstücke, selbst Körperprothesen, Goldzähne und Haare „verwerteten” die Nazis.
Und wie in anderen deutschen KZ fanden auch in Auschwitz gezielt medizinische Versuche mit Insassen statt. Besonders berüchtigt war der Arzt Josef Mengele. Er tötete bei seinen Experimenten zahlreiche Menschen. Mengele infizierte Kinder mit tödlichen Krankheiten, amputierte Gefangenen Glieder, schnitt Organe aus ihren Körpern oder ließ sie per Giftspritze ermorden, wenn seine Zwecke es „erforderten”.
Diejenigen, die die SS als „verwendungsunfähig” kategorisierte, wurden gleich nach der Ankunft auf der Bahnrampe ausgesondert und in die Gaskammern getrieben.
Es handelte sich vor allem um Frauen und Kinder sowie alte oder schwache Männer.
Doch wer des 27. Januars gedenkt, muss auch den 30. Januar mitdenken.
Denn zur Frage nach dem Leiden der Opfer gehört auch die Frage nach den Tätern und gesellschaftlich Verantwortlichen.
Es muss darum gehen, nicht nur die Erinnerung der nationalsozialistischen Massenverbrechen an Juden, Sinti und Roma, Slawen, Homosexuellen, Zeugen Jehovas oder anderen Opfergruppen wach zu halten, sondern auch die Errichtung der faschistischen Herrschaft in Deutschland zu thematisieren.
Es gilt daran zu erinnern, dass erst die Beseitigung der Demokratie und die Verhaftung und Ermordung ihrer Verteidiger*innen die nationalsozialistische Diktatur möglich machten, die schließlich nicht nur einen Vernichtungskrieg gegen andere Länder - allen voran gegen Polen und die Sowjetunion - führte, sondern auch gegen Deutschland und seine Bevölkerung.
Warum halten wir diese Erinnerung für notwendig?
76 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz droht die AfD ihren politischen Gegnern öffentlich:
„Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht - denn wir sind das Volk, liebe Freunde.”
Derartige Sätze erinnern uns an den 30. Januar 1933, an die damaligen Reden der NS-Funktionäre und an das, was danach kam.
Nie wieder Auschwitz, nie wieder Nationalismus und Rassismus!
Für Menschenrechte und ein demokratisches Miteinander!
Dr. Curt Jacoby - von den Nazis vertrieben!
Wir erinnern an einen von vielen jüdischen Bewohner*innen unserer Siedlung.
Mit dem Pogrom vom 9. November 1938 leiteten die Nazis die endgültige Vernichtung jüdischen Lebens in Deutschland ein.
Bereits kurz nach der faschistischen Machtübernahme 1933 hatten die Nationalsozialisten die mit der Diskriminierung und Entrechtung von Jüdinnen und Juden begonnen.
So auch in unserer Siedlung.
Viele der ca. 80 von den Nazis als Jüdinnen und Juden deklarierten Bewohner*innen wurden vertrieben oder verhaftet und ermordet.
Stellvertretend für unsere ehemaligen jüdischen Mitbürger*innen haben Mitglieder der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts vor dem ehemaligen Wohnsitz des jüdischen Arztes Dr. Curt Jacoby in der Hanne Nüte 83 an den antisemitischen Nazi-Terror erinnert.
Dr. Jacoby emigrierte 1937 mit Frau und Kind in die USA. In New York erhielt er 1939 seine Zulassung als Allgemeinmediziner.
Nach seinem Tod im Jahre 1976 wurde er auch dort beerdigt.
Drei Texte von Bertolt Brecht, Günther de Bruyn und Mascha Káleko wurden vorgetragen und Blumen vor dem Hauseingang niedergelegt.
Auch in ”Corona-Zeiten„ muss die Erinnerung an rassisch und politisch motivierte Verfolgung und Ermordung von Menschen und die Warnung vor einem erneuten Anwachsen rassistischer und nationalistischer Anschauung in unserem Land wach gehalten werden.
+fällt aus!+ ”Kinder der Blockade„ - Ein Film dokumentiert neun Zeitzeugen der Hungerblockade von Leningrad
+++ Wegen der aktuellen Corona-Infektionslage muss die Veranstaltung leider ausfallen.+++
Sonnabend, den 7. November 2020,
Beginn 16 Uhr
in der Britzer Gemeinde der Berliner Stadtmission,
Malchiner Str. 73, 12359 Berlin (U-Bhf. Parchimer Allee)
Der 9. November 1938 steht für den rassistischen Terror der Nazi-Herrschaft. Doch dieser Terror fand nicht nur in Deutschland statt.
Wir wollen an Hand der fast 900 Tage währenden Belagerung Leningrads daran erinnern, dass der Krieg vor allem in Osteuropa von den Nationalsozialisten als Vernichtungskrieg gegenüber der Bevölkerung geführt wurde.
Fast eine Million Menschen - doppelt so viele wie während der alliierten Luftangriffe auf Deutschland, viermal mehr als durch die Atombomben auf Japan - starben in dieser Stadt. Die Mehrheit der in Leningrad eingekesselten Menschen starb nicht durch Granaten und Bomben, sie starb aus Hunger.
Noch immer wird über dieses deutsche Kriegsverbrechen beiläufig oder verfälschend hinweggegangen, noch immer herrscht in unserem Land das Bewusstsein vor, die Blockade Leningrads sei eine gewöhnliche militärische Operation und nicht ein gezieltes Genozid.
Neun Überlebende der Leningrader Blockade sprechen über ihre Erlebnisse während der Belagerung der Stadt durch die Wehrmacht von 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944.
Der 55minütige Film von Ina Rommee und Stefan Krauss ist in Zusammenarbeit mit dem Club Dialog e. V. und dem Verein Lebendige Erinnerung entstanden, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Tragödien, die sich während des Zweiten Weltkriegs in der Stadt an der Newa ereignet haben, vor dem Vergessen zu bewahren.
Im Anschluss werden drei der im Film auftretenden Zeitzeugen mit uns über ihr Erleben diskutieren.
+++ Wegen der aktuellen Corona-Infektionslage muss die Veranstaltung leider ausfallen.+++
Gegen das Vergessen - Stolpersteine in unserer Siedlung putzen!
Donnerstag, 17. September 2020,
Treffpunkt: 16:30 Uhr, U-Bhf. Parchimer Allee,
nördl. Ausgang
10 Stolpersteine erinnern in und am Rande unserer Siedlung an Menschen, die aus politischen und/oder rassischen Gründen während der Nazi-Herrschaft verfolgt und ermordet worden sind.
Das Gedenken an sie ist gleichzeitig Mahnung und Aufforderung, dem sich heutzutage verbreitenden Rechtspopulismus und Rassismus sowie den damit verbundenen Gewaltanschläge gegen Migrant*innen und Antifaschist*innen entgegenzutreten.
Deshalb lädt unsere Initiative im Rahmen der Freiwilligentage zu zwei ca. 1 ½ - stündigen Rundgängen ein, in dessen Rahmen es kurze Informationen über die Ermordeten geben und die Steine gereinigt und poliert werden.
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
Ihre Anwohner*inneninitiative
Hufeisern gegen Rechts
Margarete-Kubicka-Bibliothek
Am Mittwoch, dem 2. September 2020, wurde die Britzer Stadtteilbibliothek feierlich in Margarete-Kubicka-Bibliothek umbenannt.
Fünf Jahre ist es her, dass unsere Anwohner*innen-initiative Hufeisern gegen Rechts die Neuköllner BVV gebeten hat, einen Ort nach der antifaschistischen Widerstandskämpferin, Malerin und Pädagogin Margarete Kubicka zu benennen.
Nun ist der Bezirk dieser Initiative nachgekommen.
In Anwesenheit von Kultursenator Klaus Lederer, der Neuköllner Stadträtin für Bildung und Kultur Karin Körte sowie der Schwiegertochter von Margarete Kubicka, Petra Kubicki, ehrte der Bezirk Neukölln die ehemalige Bewohnerin der Hufeisensiedlung, die als Lehrerin, Künstlerin und radikale Demokratin sowohl in den Kunstkämpfen ihrer Zeit als auch in den Auseinandersetzungen um das tägliche Brot ihre Frau gestanden hat.
Mit dieser Ehrung setzt der Bezirk Neukölln in einer Zeit, in der nationalistische Überhöhung und verschwörungsideologische Propaganda fröhliche Urstände feiern, ein Zeichen für demokratische Kultur und soziales Miteinander.
Margarete Kubicka hat ein Leben lang für eine Kunst gestritten, deren Aussagen sich nicht nach den Wünschen von Mäzenen oder gesellschaftlich Mächtigen richten.
In ihren Bildern finden sich Kulturelemente aus vielen Völkern und Kontinenten wieder.
Sie richten sich gegen einen Kulturbegriff, der Kunst politisch instrumentalisieren und internationale Vielfalt durch nationalistische Einfalt ersetzen will.
Ihre konsequente demokratische und soziale Haltung in Bild, Wort und Tat, die die Inkaufnahme persönlicher Nachteile einschloss, macht sie gerade in der heutigen Zeit zu einer Orientierungsgröße.
Um den Nutzerinnen Margarete Kubicka auch anschaulich näher zu bringen, überreichte Hufeisern gegen Rechts der Bibliothek zwei Reproduktionen von Bildern sowie ein Foto der neuen Namensgeberin mit dem Wunsch, dass die Bibliothek ihrer Bestimmung gerecht wird: ein reger Ort zu sein, an dem Wissen und Kultur verbreitet werden und ihre Bestände die demokratische Auseinandersetzung, die Meinungsbildung und den Meinungsaustausch in Britz fördern, ganz im Sinne der neuen Namensgeberin.
„Kennst du das Land, wo die Faschisten blühn”
Auch 2020 wurde Erich und Zenzl Mühsam in der Hufeisensiedlung gedacht.
Mehr als einhundert Menschen hatten sich am 11. Juli 2020 vor seinem Gedenkstein in der Dörchläuchtingstr. in der Hufeisensiedlung versammelt, um an den Antifaschisten Erich Mühsam zu erinnern.
Seit nunmehr acht Jahren lädt die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts anlässlich seiner Ermordung am 10. Juli 1934 durch die Nazis in zeitlicher Nähe des Todestags zu diesem Gedenken ein und hat damit mittlerweile eine kleine Tradition begründet.
Gemäß dem Grundsatz „Erinnern heißt handeln” verwies die Initiative in ihrem Redebeitrag auf die noch immer nicht aufgeklärten rechten Anschläge,
mit denen Neuköllner*innen überzogen werden, die sich gegen das zunehmende Erstarken von Rassismus und Nationalismus in unserem Bezirk zur Wehr setzen.
Gleichzeitig wurde aber auch darauf hingewiesen, dass Bewohner*innen mit Migrationsbiographien verstärkt zur Zielscheibe rechter Angriffe werden.
Anhand von Beispielen aus dem Neuköllner Politikalltag verdeutlichte der Redner der Initiative, mit welchen menschenverachtenden Forderungen die Neuköllner AfD ihren Rassismus dokumentiert
und auf diese Weise die Munition für die Anschläge liefert. Dabei scheut sie auch nicht vor direkten Anleihen aus der NS-Rassenmedizin zurück.
So habe sie im April dieses Jahres in der Neuköllner BVV gefordert, die Behandlung von an dem Corona-Virus Erkrankten nach dem Kriterium „einheimisch” oder „nicht einheimisch”,
also nach rassistischen Gesichtspunkten, zu selektieren und im Falle eines Mangels an medizinischen Geräten den als „nicht einheimisch” deklarierten Erkrankten die Behandlung zu verweigern.
An derartigen Beispielen werde deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dieser Partei immer auch den Kampf gegen die Zerstörung von demokratischen und sozialen Grundsätzen in unserer Gesellschaft verkörpert.
Mit großem Beifall wurde auch der Beitrag des Geschäftsführers der Berliner VVN/BdA aufgenommen, der auf das skandalöse Verhalten der Senatsparteien angesichts des drohenden Entzugs der Gemeinnützigkeit dieser ältesten bundesdeutschen antifaschistischen Organisation einging.
Obwohl diese Entscheidung des Berliner Finanzamtes die finanzielle Austrocknung des Verbandes bedeute, sei bisher weder im Koalitionsausschuss das Thema behandelt worden noch habe ein offizielles Gespräch mit den Vertretern der VVN stattgefunden.
Die Vertreter*innen der Erich-Mühsam-Gesellschaft wiesen noch einmal anhand von Mühsams Verhaftung am 28. Februar 1933 auf die Gefahr der Datenspeicherung von Personendaten in Polizeicomputern hin.
Auch damals hätten die Nationalsozialisten sich bei der Verhaftung ihrer Gegner der Listen der preußischen Polizei bedient.
Es bedürfe keiner besonderen Fantasie, angesichts der heutigen Technik die daraus erwachsenden politischen Möglichkeiten sich auszumalen.
Zwischen den Redebeiträgen begeisterten die beiden Gitarristen „Trotter” Schmidt und „Bibi” Schulz mit neuvertonten Mühsam-Gedichten aus ihrem Programm „Erich Mühsam - von meiner Hoffnung lass ich nicht”.
8. Mai 1945: Die Niederlage der Nazis ist unser Sieg!
Der 8. Mai 2020 ruft uns ins Gedächtnis: Vor 75 Jahren endete mit der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands der faschistische Vernichtungskrieg.
An diesem Tag wurde nahezu ganz Europa von Faschismus und Krieg befreit. In Deutschland empfanden vor allem die überlebenden des Holocaust, der Konzentrationslager und Zuchthäuser und ihre Angehörigen, die befreiten Zwangsarbeiter*innen den 8. Mai als den lang ersehnten Tag der Befreiung.
Aber auch wir alle, die wir heute leben, verdanken die Chance eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den alliierten Streitkräften.
Nicht vergessen bleibt der Beitrag, den der deutsche antifaschistische Widerstand in Deutschland, in der Emigration, in Partisanenverbänden und in den Streitkräften der Antihitlerkoalition geleistet hat.
Wir denken auch an jene Berlinerinnen und Berliner, die sich z.B. mit dem Hissen von weißen Fahnen der Aufforderung zum Endkampf entzogen.
So erinnert uns heute der 8. Mai an die Hoffnung der Befreiten auf eine Welt ohne Kriege, Elend und Unterdrückung. Lasst uns in ihrem Sinne gemeinsam eintreten für eine neue Welt des Friedens und der Freiheit, wie es die befreiten Häftlinge von Buchenwald geschworen haben:
Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg!
Ein würdiges Gedenken an diesen Tag der Befreiung von der faschistischen Herrschaft stellt die virtuelle Ausstellung „75 Jahre Kriegsende” dar, die in Kooperation der Kulturprojekte Berlin mit der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und dem Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst sowie der Stiftung Topographie des Terrors, dem Alliierten Museum und der Gedenkstätte Deutscher Widerstand entstand, unterstützt von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.
Die beeindruckende Ausstellung können Sie unter dem folgenden Link besuchen: https://75jahrekriegsende.berlin/experience/
Gedenken an Burak Bektas
Vor 8 Jahren wurde in der Rudower Str. gegenüber dem Krankenhaus Neukölln Burak Bektas nach dem Muster der NSU-Morde erschossen. Der Täter entkam unerkannt. Obwohl alles für einen rassistischen Hintergrund der Tat sprach, ermittelte die Polizei zunächst in andere Richtungen. Indizien und Zeugenaussagen wurden nicht zur Kenntnis genommen oder nur oberflächlich behandelt. Die „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektas” hat in den letzten Jahren auf Fehler und Widersprüche in der Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft hingewiesen. Auch in diesem Jahr wollen wir an den Mord und sein Tatmotiv erinnern. Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen wird in diesem Jahr keine Demonstration oder Kundgebung stattfinden. Doch jede/r kann mit einer Blume am Gedenkort Rudower Str./Möwenweg dokumentieren: Rassismus tötet.
nach oben DruckversionSolidarität mit der VVN-BdA!
Volles Haus - volle Solidarität
Gewerkschafter protestieren gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA!
Kein Platz war im großen Saal des IG Metall-Hauses mehr leer, als die Protestveranstaltung des DGB-Kreisverbandes Neukölln am Freitag, dem 17. Januar 2020 begann. Gleich zu Beginn machte die stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg Sonja Staack deutlich, dass es bei der Maßnahme der Finanzverwaltung um weitreichende Folgen nicht nur für die Arbeit der VVN gehe, sondern das gerade in Zeiten wachsenden Rassismus und rechter Gewalt die Demokratie nicht nur von politischen Parteien, sondern in hohem Maße auch von zivilgesellschaftlichen Akteuren gelebt und gestaltet werden müsse.Auch die weiteren Gewerkschaftsvertreter - Tom Erdmann von der GEW-Berlin und Rüdiger Lötzer von der Berliner IG Metall - betonten aus den historischen Erfahrungen heraus die Notwendigkeit breiter Bündnisse gegen Rechtspopulisten und Nazis, zu denen die VVN als zuverlässige Stütze immer gehört habe und weiterhin gehöre. Die Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit komme einer gesellschaftlichen Diskreditierung des Antifaschismus gleich und dürfe von den sich selbst als antifaschistische Organisationen verstehenden DGB-Gewerkschaften nicht hingenommen werden.
Auf den Zusammenhang zwischen finanzpolitischer Unterstützung oder Strangulierung von zivilgesellschaftlichen Vereinen und den Einflussmöglichkeiten des Verfassungsschutzes wies der Vorsitzende des Republikanischen Anwält*innenvereins Dr. Peer Stolle hin. Es sei mehr als fragwürdig, dass der Verfassungsschutz, dessen Versagen im Kampf gegen den NSU und andere rechte Aktivitäten seit Jahrzehnten seine Arbeit präge, mit seinen Einschätzungen ohne einen Belegzwang per Verfassungsschutzbericht weitreichende politische Folgen für die zivilgesellschaftlichen Vereine auslösen könne.
Auch Oliver Gaida von der Berliner SPD kritisierte die Rolle des Verfassungsschutzes. Hier müsse eine änderung der Abgabenordnung vorgenommen werden, die zivilgesellschaftliches Engagement für demokratische Rechte und Freiheiten nicht erschwert und behindert, sondern aktiv fördert.
Als Peter Neuhof - Gründungsmitglied der VVN - noch einmal seine Eindrücke zusammenfasste, die er bei dem Angriff auf die VVN erlebt hat, trat der politische Skandal des Entzugs der Gemeinnützigkeit ungeschminkt hervor. Unter großem Beifall bekräftigte er, dieser Angriff mache deutlich, zur Erfüllung des Schwurs von Buchenwald liege noch ein langer Weg vor uns.
Eindrucksvoll begleitete Isabel Neuenfeldt die Veranstaltung mit Stimme und Akkordeon. nach oben Druckversion
Solidarität mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e. V.
Am 4. November 2019 hat das Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin der Bundesvereinigung der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit entzogen.
Damit wird die sich im Wesentlichen aus Mitgliedsbeiträgen und Spendengeldern finanzierende älteste antifaschistische Organisation der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Existenz bedroht.
Die von Überlebenden der Konzentrationslager und Gefängnisse 1947 gegründete überparteiliche und überkonfessionelle Vereinigung hat seit ihrer Existenz für Frieden und Völkerverständigung gekämpft und gegen große gesellschaftliche Widerstände wesentlich dafür gesorgt, dass die Verbrechen des deutschen Faschismus nicht in Vergessenheit geraten sind.
Gerade in der heutigen Zeit, in der die AfD mit ihrem menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Programm in die deutschen Parlamente eingezogen ist, sehen wir es als unerträgliches Signal an, wenn eine Organisation, die immer im Kampf für den Erhalt demokratischer Rechte in der ersten Reihe zu finden war und ist, durch eine Behördenentscheidung in die Knie gezwungen werden soll.
Wir protestieren gegen die Entscheidung des Berliner Finanzamtes, die im Gegensatz zum Finanzamt Oberhausen-Süd, das der VVN-BdA Landesvereinigung NRW die Gemeinnützigkeit am 22. Oktober gewährt hat, steht.
In beiden Fällen war derselbe Vorwurf erhoben worden. Er besteht darin, dass die Landesvereinigung Bayern der VVN-BdA im bayrischen Verfassungsschutzbericht wiederholt als linksextremistisch beeinflusst dargestellt wird. Während das Finanzamt Oberhausen-Süd der Widerrede der VVN-BdA im Anhörungsverfahren entsprach, beharrt das Berliner darauf, dass „der volle Beweis des Gegenteils, als Widerlegung der Vermutung(!) als extremistische Organisation” nicht erbracht worden sei.
Das bedeutet, dass die Bewertung durch eine nachgeordnete bayrische Landesbehörde, die laut bayrischem Gerichtshof keine Tatsachenbehauptung darstellt, demnach über das Schicksal einer bundesweit arbeitenden zivilgesellschaftlichen Organisation entscheidend ist.
Wir wenden uns gegen die ungeprüfte Übernahme der haltlosen Unterstellungen der bayrischen Behörden und fordern den Berliner Finanzsenator Dr. Kollatz auf, die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA wiederherzustellen!
Zur Unterstützung der Forderung nach dem Erhalt der Gemeinnützigkeit existiert eine online-Petition: Die VVN-BdA muss gemeinnützig bleiben!
Die Möglichkeit zu unterschreiben (online und offline) besteht bis zum 3.1.2020.
Zwei nachhaltige Geschichtsstunden
Horst Selbiger, Überlebender des Holocaust, schilderte schonungslos sein Erleben der Novemberpogrome 1938
Kurz vor Beginn der Veranstaltung überraschte uns Horst Selbiger mit dem Vorschlag, nicht die angekündigte Lesung mit Auszügen aus seinem Buch „Verfemt, verfolgt, verraten” vorzunehmen, sondern wegen des bevorstehenden Jahrestages der Reichspogromnacht sich auf dieses Thema zu konzentrieren.Dass diese inhaltliche Änderung richtig war, zeigte sich sehr bald.
Schon nach kurzer Zeit waren die mehr als einhundert Anwesenden von den Schilderungen des Überlebenden der Schoa in den Bann gezogen. Sie erlebten die systematische Ausgrenzung des jüdischen Schülers in der Neuköllner Schule in der Donaustraße mit, die Schikanen der Mitschüler und der Lehrer und hörten das Knirschen der Glasscherben der eingeschlagenen Schaufensterscheiben unter den Sohlen des Kindes auf dem Schulweg am Morgen des 10. Novembers 1938.
Sie sahen angetrunkene SA-Männer Jüdinnen und Juden verprügeln und die Beifall klatschenden Bürgerinnen und Bürger, die sich anschließend noch an der Plünderung der jüdischen Geschäfte beteiligten. Aber sie hörten auch die Rufe der mit jüdischen Männern verheirateten „arischen” Frauen in der Rosenstraße, die im Februar und März 1943 erfolgreich für die Freilassung ihrer inhaftierten und zur Deportation vorgesehenen Männer und Söhne demonstrierten. Zu denen gehörte auch der junge Zwangsarbeiter Horst Selbiger, von den Nazis als „Geltungsjude” kategorisiert. Nachvollziehbar schilderte er, wieso diese Widerstandsaktion aufgrund der veränderten Kriegslage und der aufkommenden Kriegsmüdigkeit erfolgreich sein konnte.
Waren die Novemberpogrome das Resultat eines Zusammenspiels von Massenloyalität mit einer verbrecherischen Diktatur, mit wütendem Rassismus und barbarischem Antisemitismus der deutschen Gesellschaft, so drohte durch die zunehmend spürbaren Auswirkungen des Krieges auf die Bevölkerung diese Loyalität brüchig zu werden.
Schließlich waren die Zuhörer*innen dabei, als der 17jährige Horst Selbiger den Sieg über den Faschismus erlebte, die Rückkehr führender nationalsozialistischer Funktionäre in hohe Positionen der bundesdeutschen Gesellschaft beobachten musste, in die DDR übersiedelte und sich dort in den ersten Jahren energiegeladen an dem Aufbau eines sozialistischen Staates beteiligte. Doch als 1953 kritische Stimmen mundtot gemacht wurden und Selbiger aus der SED ausgeschlossen wurde, wandelte sich seine positive Einstellung. Schließlich nutzte er als Journalist eine Dienstreise zum Auschwitz-Prozess in Frankfurt 1964 zur Flucht in den Westen.
Auch hier hätten die Anwesenden an seinem Kampf mit den ehemaligen Nazi-Juristen in der bundesdeutschen Justiz für seine Anerkennung als politisch und rassisch Verfolgter und die Anerkennung seiner Verfolgungsschäden teilhaben können. Doch die Zeit reichte nicht, um auch dieses Kapitel aus dem Leben von Horst Selbiger genauer zu schildern und zu diskutieren. Zum Abschluss verabschiedeten die Teilnehmer*innen einstimmig einen Brief an die Jüdische Gemeinde zu Berlin, in dem sie die Angriffe auf Jüdinnen und Juden verurteilen und sich mit den Angegriffenen solidarisieren.
Die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts dankt der Britzer Gemeinde der Berliner Stadtmission, dass sie uns den Raum für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt hat. nach oben Druckversion
Auftakt zum diesjährigen antifaschistischen Fahrradkorso in der Hufeisensiedlung
Der zweite Sonntag im Monat September hat eine besondere Bedeutung.
Er erinnert an die große antifaschistische Manifestation am 9. September 1945.
An diesem Tag zogen mehr als 100 000 Menschen ins Neuköllner Werner-Seelenbinder-Stadion, um den von den Nazis aus rassistischen und politischen Motiven ermordeten Menschen zu gedenken.
Mit der Erinnerung verbunden war auch der Wille, ein neues Aufflammen des Faschismus zu verhindern.
Diese Tradition hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) mit dem Tag der Mahnung, Erinnerung und Begegnung über die Jahrzehnte aufrecht erhalten.
Seit einigen Jahren wird in Berlin mit einem Fahrradkorso, der an Orten von Verfolgung und Widerstand vorüberführt, eine Verknüpfung des Gedenkens mit aktuellen Ereignissen des Kampfes gegen Krieg, Rassismus und rechter Gewalt hergestellt.
Aus Solidarität mit den von rechten Angriffen betroffenen Neuköllner*innen hatte die VVN in diesem Jahr zur Auftaktkundgebung in die Hufeisensiedlung eingeladen, die unter dem Motto „Rechter Terror in Berlin - Untersuchungsausschuss jetzt!” stand.
Ein Mitglied von Hufeisern gegen Rechts kritisierte in seinem Redebeitrag die Arbeit der Ermittlungsbehörden und begründete die Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Umgang der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden mit dem rechten Terror.
Während der Veranstaltung konnten wir für die entsprechende Petition viele Unterschriften sammeln, bevor die Anwesenden zu ihrer Fahrradtour in Richtung Senefelder Platz aufbrachen, die in diesem Jahr dem Neuköllner Widerstandskämpfer Heinz Kapelle gewidmet war.
Auch unsere Anwohner*inneninitiative war mit einem Stand vertreten, an dem wir über Leben und Wirken von neun ehemaligen Bewohner*innen informierten, die während der NS-Herrschaft verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden.
Erich-Mühsam-Gedenken 2019 in der Hufeisensiedlung
Was bleibt von dem 1934 ermordeten Dichter und Antifaschisten Erich Mühsam?
Eine ganze Menge, wie die diesjährige Gedenkveranstaltung der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts demonstrierte.
250 Menschen waren in diesem Jahr zur Hufeisentreppe gekommen, um den ehemaligen Bewohner zu ehren, der bis zu seiner Verhaftung am 28. Februar 1933 in der Hufeisensiedlung gelebt und gewirkt hat. Von hier aus hat er gegen Krieg, Obrigkeitsstaat und Faschismus geschrieben und gekämpft. Hier hat er aber auch in seinem Garten in der Dörchläuchtingstr. 48 mit Freundinnen und Freunden bei Kaffee und Kuchen gesellig beisammengesessen und geplaudert.
Die Vielseitigkeit seiner Persönlichkeit hat das Weber-Herzog-Musiktheater in seinem musikalisch-literarischen Programm während der Veranstaltung zum Ausdruck gebracht. Nicht nur kämpferische Texte sind hier vertont worden, sondern Christa Weber und ihre Musiker*innen präsentierten auch Frivoles und Privates aus Mühsams reichhaltigem lyrischen Repertoire.
Die Rufe nach Zugaben am Ende des Programms zeigten, dass das Musiktheater mit ihren nicht immer leicht verdaulichen Songs das Publikum erreicht hatte.
Bereits vorher hatte Sabine Lueken von der Erich-Mühsam-Gesellschaft und ein Mitglied von Hufeisen gegen Rechts in ihren Redebeiträgen die erschreckende Aktualität der antimilitaristischen und antifaschistischen Texte Erich Mühsams anhand der wachsenden Kriegsgefahr und dem wachsenden Einfluss rechter Gruppierungen und Parteien dokumentiert.
Erich Mühsam zu ehren heißt heute, sich gegen Rassismus und Gewaltverherrlichung, gegen Intoleranz und Menschenverachtung zu engagieren.
Hufeisern gegen Rechts dankt allen Untertützer*innen, ohne deren Hilfe die Ehrung in der dargebotenen Form nicht möglich gewesen wäre.
Hufeisenfest: Bewohner*innen feierten ihre Siedlung
Das angekündigte Unwetter blieb aus.
Stattdessen strahlte die Sonne am Samstagnachmittag über dem diesjährigen Hufeisenfest in der Hüsung.
Groß und Klein waren gekommen um bei Musik, kühlen Getränken und süßer oder herzhafter Kost miteinander zu feiern.
Initiativen und Vereine aus der Hufeisensiedlung boten Spiele und Informationen an. Eine große Tombola ließ viele Loskäufer über ihre Gewinne glücklich strahlen.
Auch unsere Anwohner*inneninitiative war mit einem Stand vertreten, an dem wir über Leben und Wirken von neun ehemaligen Bewohner*innen informierten, die während der NS-Herrschaft verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden.
Ihre Biographien müssen uns heutzutage als Warnung dienen, wohin Nationalismus und Rassismus führen können.
Viele Besucher*innen unseres Standes - darunter auch der Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel und die SPD-Abgeordnete Derya Çaglar - waren mit uns einig:
Eine Verklärung oder ein Kleinreden dieser verbrecherischen Epoche deutscher Geschichte darf es nicht geben.
Im Gegenteil: Schonungslose Aufklärung im Sinne eines NIE WIEDER ist das Gebot der Stunde.
Die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts dankt dem Verein der Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung e.V., die auch in diesem Jahr mit viel Engagement das Fest organisiert haben.
Festival Offenes Neukölln - Lesung
1930-1945: Mein Weg ins Leben - Deutschlands Weg in den Krieg
Persönliche Erinnerungen von Georg Weise an seine Kinder- und Schulzeit in Neukölln und im Harz während Nazi-Herrschaft und Krieg,
Kriegsspiele im Buddelkasten und auf der Straße
/ Vater als Nazigegner im Gefängnis / Bekannte werden „abgeholt”
/ mit 10 Jahren im Jungvolk Messer- und Handgranaten werfen üben
/ Immer mehr Todesanzeigen in der Zeitung - sind Verwandte oder Bekannte dabei?
/ Großvater baut einen Unterstand im Garten / bei Alarm in den Luftschutzbunker
/ Kinder-Land-Verschickungs-Lager
/ Evakuierung zu Verwandten im Harz
/ Detektor zum „Feind”-Sender hören
/ beinahe National-Politische-Erziehungsanstalt
/ Kriegsende im Harz
/ Rückkehr nach Berlin und Nachricht vom Vater
Es hat uns sehr gefreut, dass viele Interessierte gekommen sind, um Georg bei der Reise durch seine Kinder- und Jugendzeit zuzuhören.
Hinweis: Es können einigen kurze Auszüge als Hörproben ausgewählt werden.
Diese Veranstaltung fand im Rahmen des Festivals Offenes Neukölln ONK statt -
www.offenes-neukoelln.de
Ein Stolperstein für Dr. Bruno Altmann
Schüler*innen der Albert-Einstein-Schule verlegen gemeinsam mit der Neuköllner Falkengruppe einen Stolperstein für Dr. Bruno Altmann
Etwa ein halbes Jahr hätten sie über den sozialdemokratischen Journalisten und Schriftsteller Dr. Bruno Altmann recherchiert, berichtete Judith Wamser, Mitglied der Arbeitsgruppe, die die Stolpersteinverlegung vorbereitet hatte.
Zur Verlegung des Stolpersteins vor der Dörchläuchtingstr. 4 waren mehr als einhundert Personen erschienen. Viele von ihnen hörten zum ersten Mal etwas von und über Dr. Bruno Altmann, dem Menschen, der durch die Verlegung aus dem Dunkel der Vergessenheit geholt worden ist.
Neben seiner politischen Einstellung spielte auch die jüdische Herkunft Altmanns eine wesentliche Rolle für seine Verfolgung durch die Nationalsozialisten.
Altmann emigrierte 1934 zunächst nach Brünn, später dann nach Paris. In der Emigration schreibt er gegen den deutschen Faschismus in verschiedenen Zeitungen, u. a. für den „Neuen Vorwärts” und die „Pariser Tageszeitung”.
Im Jahr 1940 wird er in das berüchtigte südfranzösische Internierungslager Gurs gebracht.
Von hier wurde Altmann durch verschiedene Lager, u. a. das Konzentrationslager Majdanek, geschleppt. Umgebracht wurde er vermutlich im Lager Sobibor.
In seiner anschließenden Ansprache sprach Neuköllns Bürgermeister Hikel nicht nur den Dank an die Jugendlichen für ihr demokratisches Engagement aus, sondern wies auch auf die aktuelle Kampagne der Rechtspopulisten von der AfD hin, die das Mittel der Denunziation von Lehrkräften zur Durchsetzung ihrer geschichtsrevisionistischen Vorstellungen anwenden.
Es zeige sich immer deutlicher, dass die AfD zwar demokratisch gewählt sei, aber mit ihr Antidemokraten in die Parlamente eingezogen seien.
Hier sei Widerstand nicht nur legitim, sondern notwendig.
Diese Lehren würden uns die Schicksale Bruno Altmanns und der anderen Personen vermitteln, denen in der Hufeisensiedlung mit einem Stolperstein gedacht werde.
Musikalisch begleitet wurde die Verlegung von dem Schulchor der der Albert-Einstein-Schule, der Lieder jüdischer Komponisten vortrug.
Gegen das Vergessen!
9. November 2018 in der Neuköllner Hufeisensiedlung:
Neun Stolpersteine wurden bisher in der Hufeisensiedlung verlegt. Die Messingtafeln erinnern an Frauen und Männer, die von den deutschen Faschisten verfolgt und ermordet wurden.
Die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts wird am 9. November, den Tag, an dem die Nationalsozialisten 1938 ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung in ganz Deutschland initiierten, an die neun Britzer Bürger*innen erinnern. Am 9. November 2018 wollen wir - stellvertretend für alle Opfer rechter Gewalttaten - dieser neun Menschen und ihrer Geschichte gedenken, indem wir mit Lichtern und kleinen Informationstexten ihre Namen und ihre Haltung sichtbar machen:
Georg Obst, Gielower Str. 28
Rudolf Peter, Gielower Str. 32c
Heinrich Uetzfeld, Parchimer Allee 7
Gertrud Seele, Parchimer Allee 75
Wienand Kaasch, Parchimer Allee 94
Stanislaw Kubicki, Onkel-Bräsig-Str. 46
Hans-Georg Vötter, Onkel-Bräsig-Str. 111
Adolf Mockrauer, Buschkrugallee 179
Charlotte Adel, Backbergstr. 23
Gleichzeitig wollen wir mit diesem Rundgang darauf verweisen, dass die feige Schändung der Stolpersteine im November 2017 durch die rechte Neuköllner Szene von der Zivilgesellschaft nicht hingenommen wurde, sondern eine bewegende Welle der Solidarität ausgelöst hat. Bereits einen Monat später konnten die geraubten Steine mithilfe der Spenden vieler Berliner*innen neu verlegt werden. Eine Reaktion, die Mut macht.
Der Rundgang beginnt um 18:00 Uhr am nördlichen Ausgang des U-Bhf. Parchimer Allee (U 7) und dauert ca. 1,5 Stunden.
Alle Interessierte sind herzlich eingeladen. nach oben Druckversion
Verlegung eines Stolpersteins für Charlotte Adel
„Es sollte ehrlich notiert werden, was nicht vergessen werden darf, damit es sich nicht wiederholt!”
(Charlotte Adel)
Am 4. September hatten sich vor dem Haus Backbergstraße 23 mehr als 80 Personen versammelt.
Anlass war die Verlegung eines Stolpersteins für die antifaschistische Widerstandskämpferin Charlotte Adel.
Gemeinsam mit anderen Genossinnen und Genossen wurde sie am 22. August 1933 von der Gestapo verhaftet und wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 18 Monaten Gefängnishaft verurteilt.
Doch auch nach der Haftzeit wurde sie von den Natio-nalsozialisten weiter drangsaliert.
Unter Polizeiaufsicht gestellt, des Sorgerechts für ihre Tochter entzogen, häufig arbeitslos und verarmt, wurde sie zunehmend gesellschaftlich isoliert und sah schließlich keinen anderen Ausweg mehr als den Tod.
Ihr Leben und Wirken stand im Mittelpunkt der Rede, die ein Mitglied der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts vor ihrem letzten Wohnort hielt.
Anschließend betonte die Frauenrechtlerin Claudia von Gélieu die in der Geschichte des antifaschistischen Widerstandes noch immer zu gering bewertete Rolle der Frauen.
Schließlich verwies der Neuköllner Bürgermeister Martin Hickel auf die aktuellen Angriffe rechter Kräfte, die mit ihren öffentlichen Gewaltaktionen nicht nur in Chemnitz oder Cottbus, sondern eben auch in Neukölln auf die Zerstörung demokratischen Lebens hinarbeiten.
Das Erinnern an Menschen wie Charlotte Adel sei daher auch ein Aufruf, sich für ein Zusammenleben in kultureller und demokratischer Vielfalt einzusetzen und die rechten Hassprediger in die Schranken zu verweisen.
Begleitet wurde die Stolpersteinverlegung durch Isabel Neuenfeldt, die zu ihrem Akkordeon Lieder vortrug, in die die Anwesenden teilweise einstimmten.
Gedenken an Erich und Zenzl Mühsam in der Hufeisensiedlung
„Menschen, lasst die Toten ruhen, und erfüllt ihr Hoffen!” (E. Mühsam)
Zum sechsten Mal fand am 8. Juli 2018 das Gedenken an Erich Mühsam statt, der als politischer Schriftsteller und engagierter Bewohner in der Hufeisensiedlung von 1927 bis Februar 1933 gelebt und gewirkt hat.
Die Ehrung begann mit einem Rundgang durch die Siedlung unter Leitung von Claudia von Gélieu.
Unter heftigen Sonnenstrahlen begann anschließend die 1 ½ -stündige Kundgebung.
In der Begrüßungsrede ging die Vertreterin von Hufeisern gegen Rechts auf die antifaschistische Haltung ein, die die Lebens- und Kampfgemeinschaft Zenzl und Erich Mühsam auch heute noch als Orientierungsgröße verkörpert.
Angesichts der Erfolglosigkeit der Verfolgungsbehörden in Bezug auf die Ermittlungen über die Anschläge aus der Neuköllner rechten Szene wies sie auf die Selbstbeschränkung der Polizei hin.
Es sei längst geboten, die Verfolgung auf der Einordnung der Straftaten als terroristische Straftatbestände vorzunehmen. Gerade in Mühsams Sinne sei es, faschistisches Handeln nicht zu unterschätzen, auch wenn die Anzahl der rechten Akteure noch klein erscheine.
Der frühzeitige Warner und Mahner vor dem aufkommenden Faschismus hat die Unterschätzung der politischen Gefahr sowohl durch sozialistische als auch bürgerlich-demokratische Kräfte während der Weimarer Republik mit Haft, Folter und Tod bezahlt.
Nach dem Grußwort der Mühsam-Gesellschaft, in dem Sabine Lueken die Freundschaften der Mühsams in der Hufeisensiedlung ansprach, trugen Isabel Neuenfeldt und Dr. Seltsam ihr Programm „Sich fügen heißt lügen.” vor.
Während Isabel Neuenfeldt zum Akkordeon vertonte Gedichte von Erich Mühsam vortrug und auf diese Weise er selbst zu Wort kam, rezitierte Dr. Seltsam aus dem Buch „Der Leidensweg der Zenzl Mühsam”, verfasst von Rudolf Rocker, dem Anarchisten und Freund von Erich und Zenzl Mühsam.
Die ausgewählten Textpassagen schilderten in eindringlicher Weise Mühsams Haft in den Gefängnissen und Konzentrationslagern der Faschisten sowie die Verarbeitung dieser unmenschlichen Quälereien durch Zenzl Mühsam.
So entstand ein gewisser Dialog, in dem die Person Erich Mühsam aus verschiedenen Perspektiven und in vielschichtiger Weise zur Geltung kam.
Das Ergebnis konnte keiner besser schildern als Erich Mühsam selbst:
„Warum ich Welt und Menschen nicht verfluche? Weil ich den Menschen spüre, den ich suche!”
Hufeisern gegen Rechts dankt allen Beteiligten für die vielen Spenden, die uns zeigen, dass das Gedenken an Erich Mühsam von vielen Menschen geteilt wird.
Wir wünschen uns, dass wir uns alle im nächsten Jahr an gleicher Stelle zum Gedenken an Erich und Zenzl Mühsam wieder treffen.
Große Beteiligung bei der Stolpersteinverlegung für den jüdischen Apotheker Adolf Mockrauer
Umrahmt von jiddischen Liedern, vorgetragen von Olaf Ruhl,
gedachten mehr als 100 Bewohner*innen der Krugpfuhl- und Hufeisensiedlung des von den Nazis in den Tod getriebenen ehemaligen Apothekers der Siedlung.
Sein Lebensweg steht beispielhaft für die Ausplünderung, Entwürdigung und Vernichtung jüdischer Mitbürger*innen, die die Nazis während ihrer Herrschaft betrieben haben.
Ein Mitglied der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts veranschaulichte in seiner Rede die Betroffenheit, die das Studium der Akten und Briefe im Rahmen der Erforschung des Lebensweges von Adolf Mockrauer erzeugt hat.
Anschließend ging die Berliner Staatsekretärin für Bürgerliches Engagement und Internationales Sawsan Chebli auf die Bedeutung der Auseinandersetzung mit rassistischen Auffassungen jeglicher Art für den Bestand einer demokratischen Gesellschaft ein.
Gerade sie als Deutsche mit palästinensischen Wurzeln erfahre immer wieder, wie Antisemitismus und Antiislamismus von rechtspopulistischen Positionen genutzt werden, um Minderheiten zu diffamieren und auszugrenzen.
Die Aufgabe von Demokraten hingegen müsse es sein, die verschiedenen Spielarten des Rassismus aufzudecken und zu bekämpfen.
Auch der Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel ließ keinen Zweifel daran, dass es gegenüber rassistische Parolen und rechte Gewalt keine Toleranz geben darf.
Unter dem Beifall der Anwesenden stellte er klar: „Antifaschismus ist kein Schimpfwort. Antifaschismus ist ein Grundprinzip unserer Gesellschaft und sollte eine Selbstverständlichkeit für jeden Demokraten sein.”
Das Gedenken fand am Abend im bis auf den letzten Platz besetzen Hufeisencafé seine Fortsetzung. In der Veranstaltung informierte die Historikerin Karolin Steinke über das Leben und das Schicksal der jüdischen Bewohner*innen in der Hufeisensiedlung während der NS-Zeit.
In der anschließenden mehr als einstündigen Diskussion wurde am Beispiel des Mikrokosmos Hufeisensiedlung deutlich, welchen unwiederbringlichen Verlust die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung für das kulturelle und soziale Leben in Deutschland darstellt.
Die Historie müsse als warnendes Beispiel verstanden werden, heutigen rassistischen Ausgrenzungsversuchen rechtzeitig und mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten.
Hufeisern gegen Rechts
nach oben DruckversionBerührende Wiederverlegung der geschändeten Stolpersteine in der Hufeisensiedlung
Genau einen Monat nach dem schamlosen Angriff auf das Gedenken an die sieben antifaschistischen Widerstandskämpfer in unserer Siedlung wurden am Montag, dem 4.12.2017, die ersten beiden Stolpersteine in der Onkel-Bräsig-Str. erneuert, fest in Beton verankert.
Ein Trompeter der Musikschule Neukölln eröffnete die Ehrung vor dem Haus mit der Nr. 46.
Hier hatte der Anarchist, Maler und Schriftsteller Stanislaw Kubicki gewohnt, bevor er im polnischen Exil von der Gestapo 1942 ermordet wurde.
Mehr als 100 Personen hörten der Würdigung von Bürgermeisterin Dr. Giffey und den Worten von Dr. Karol Kubitzki, dem Sohn des Ermordeten, zu, bevor Isabel Neuenfeldt mit einem vertonten Gedicht von Erich Mühsam, dem Freund von Stanislaw Kubicki, den ersten Teil der Ehrung beendete.
Anschließend ging es zum Haus Nr. 111, zu dem Stein von Hans-Georg Vötter. Schüler*innen der Fritz-Karsen-Schule berichteten über seine Widerstandstätigkeit und Ermordung.
Mittlerweile war die Teilnehmerzahl weiter angewachsen, da ganze Klassen der Fritz-Karsen-Schule sich an dem Gedenken beteiligten.
Viele Schüler*innen hielten Rosen in ihren Händen, die sie anschließend vor dem Haus niederlegten.
Begleitet wurde diese Zeremonie von Degenhardts Zündschnüre-Lied, das eindrucksvoll von Isabel Neuenfeldt vorgetragen wurde.
Einen Tag später versammelten sich ca. 60 Menschen, um die drei Personen zu würdigen, deren Stolpersteine in der Parchimer Allee aus dem Pflaster gerissen und geraubt worden waren.
Gemeinsam zogen Mitglieder der IG Metall, die aus ihrer Bildungsstätte in Spandau angereist waren, der SPD-Abteilung Hufeisensiedlung und von Hufeisern gegen Rechts sowie weitere Anwohner*innen zu den geschändeten Orten, an denen jetzt neue Messingplatten aus dem Pflaster blinkten.
Chaja Böbel von der IG Metall wies am Stein von Wienand Kaasch auf den wachsenden Einfluss rechtspopulistischer Parteien hin und forderte die Anwesenden auf, das Gedenken an diese Widerstandskämpfer nicht als historisches zu betrachten, sondern aktuelle Schlussfolgerungen aus ihrem Denken und Handeln zu ziehen.
Konkret heiße das, den Rechten in den Betrieben und auf der Straße den Weg zu versperren und auch die Auseinandersetzung innerhalb der Gewerkschaft mit nationalistischen und rassistischen Auffassungen nicht zu scheuen.
Vor dem Haus Nr. 75 sprach Andreas Schmidt von der Abteilung Hufeisensiedlung der Neuköllner SPD über das Leben von Getrud Seele und mahnte ebenfalls Wachsamkeit gegenüber den aktuellen rechten Tendenzen an.
Schließlich wurde die Ehrung mit dem Gedenken an Heinrich Uetzfeld vor dem Haus Nr. 7 beendet. Hier erinnerte Jürgen Schulte von Hufeisern gegen Rechts an den Sozialisten, der Ende 1933 verhaftet und zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
Doch die Nazis konnten seine Haltung nicht brechen. Nach seiner Entlassung schloss er sich erneut dem Widerstand an und sammelte versprengte Genossinnen und Genossen, um die von der Gestapo weitgehend zerschlagenen Strukturen zu reorganisieren.
1940 wurde er erneut festgenommen und ins KZ Dachau geschleppt.
Ungebrochen ist er ein Jahr später an den Folgen der Folterung verstorben. Auch sein Lebensweg lehrt uns, rechtzeitig den Kampf auf dem Boden der Demokratie gegen Faschismus und Rechtspopulismus zu führen, für eine soziale Gesellschaft von Gleichberechtigten, ein Gemeinwesen, für das Heinrich Uetzfeld und viele andere Widerstandskämpfer ihr Leben lassen mussten.
Die letzten beiden Stolpersteine in unserer Siedlung wurden am Mittwoch, dem 6.12. vor den Häusern der Gielower Str. 32 und 28 verlegt.
Bärbel Schindler-Saefkow, Tochter des Widerstandskämpfers Anton Saefkow, und Constanze Lindemann von verdi bezogen sich in ihrer Würdigung des 1945 an den Haftbedingungen verstorbenen Gewerkschafters Rudolf Peter auf die Bedeutung der Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe für die heutige gewerkschaftliche Arbeit.
Die Schändung der Steine sei Beweis genug, dass die Feinde der Demokratie das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen - und ihnen dazu jedes Mittel recht ist.
Der Aufbau dieser großen Widerstandsorganisation über die Parteigrenzen hinweg habe den Weg gewiesen, nach dem Ende der faschistischen Herrschaft parteiunabhängige Einheitsgewerkschaften als demokratische Interessenvertretung der Arbeiterschaft aufzubauen.
Den Abschluss der drei Gedenktage bildete die Ehrung des Sozialdemokraten Georg Obst.
Achim Berger von Hufeisern gegen Rechts zeichnete Stationen aus dem Leben des Widerstandskämpfers der ersten Stunde nach und beschrieb eindrucksvoll den Terror, mit dem die Faschisten von Anfang an den Widerstand im Keim ersticken wollten.
Georg Obst hat sich selbst geopfert, um diesem Terror nicht zu unterliegen.
So verschieden die sieben Widerstandskämpfer*innen waren, denen in diesen drei Tagen in der Hufeisensiedlung gedacht wurde, so stellen sie doch gemeinsam etwas Bedeutendes dar: ihr persönlicher Mut, ihre Unbeirrbarkeit selbst in der vollständigen Isolation, die Lauterkeit ihrer Motive.
Allein ihre Existenz widerspricht der These von der Kollektivschuld des deutschen Volkes und belegt, dass es auch in der Zeit des faschistischen Terrors Menschen gab, die für ein anderes, besseres Deutschland mit ihrem höchsten persönlichen Einsatz gekämpft haben.
Nehmen wir die wiederverlegten Stolpersteine zum Anlass die Geschichte dieser Menschen weiter zu verbreiten und in ihrer Tradition zu handeln - gegen Rassismus und Nationalismus - für ein demokratisches, soziales Miteinander.
Neukölln steht zusammen: Gegen Geschichtsrevisionismus und Rassismus!
Die Schändung der Gedenksteine kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber die gerissenen Wunden lassen sich heilen.
Viele Bürgerinnen und Bürger haben mit ihrer Spende dazu beigetragen, dass am 16.11. bereits eine Summe von über 5700€ zusammengekommen ist.
Wenn auch Sie sich an der Wieder- oder Neuverlegung von Stolpersteinen beteiligen wollen, können Sie Ihre Spende auf eines der beiden folgenden Konten überweisen:
Aktives Museum - Stolpersteine
Berliner Sparkasse
IBAN: DE40 1005 0000 0190 163275
BIC: BELADEBEXXX
Verwendungszweck: Stolperstein (evtl. Bezirks-, bzw. Ortsteilangabe oder Name eines einzelnen Steins)
Bezirksamt Neukölln
Berliner Sparkasse
IBAN: DE10 1005 0000 1410 003805
BIC: BELADEBEXXX
Verwendungszweck: Stolpersteine (evtl. konkretisierende Angabe)
Die große Solidarität, die sich in den Spenden ausdrückt, macht Mut. Lasst uns gemeinsam den eingeschlagenen Weg weitergehen.
Faschisten und Rechtspopulisten keinen Hufbreit Boden.
Pressemitteilung:
Überwältigendes Spendenaufkommen für die geraubten Stolpersteine in der Britzer Hufeisensiedlung - Wiederverlegung gesichert!
Der Diebstahl der Stolpersteine in Britz, die an die Ermordung von rassisch oder politisch Verfolgte durch die Nationalsozialisten erinnern, in der Nacht vom 5. zum 6. November 2017 hat eine große Welle der Solidarität ausgelöst.
Seit dem 7. November 2017 sind innerhalb von 5 Tagen 1245 € an Spendengeldern für den Ersatz der in Britz entwendeten Stolpersteine bei uns eingegangen.
Damit ist dieser bereits jetzt finanziell gesichert. Hinzu kommen weitere 110 €, die mit der Bitte an uns verbunden sind, einen Stolperstein für den jüdischen Apotheker Adolf Mockrauer in die Wege zu leiten.
Vor dessen Apotheke hatte am 9. November diesen Jahres unsere Veranstaltung zum Gedenken an die Reichspogromnacht stattgefunden, auf der mehr als 200 Bürger*innen nicht nur an den antisemitischen Terror vor 79 Jahren erinnerten, sondern auch gegen die Schändung der Stolpersteine in Britz protestierten.
Viele Spenden wurden gezielt für den Ersatz namentlich genannter Steine in der Hufeisensiedlung versehen.
So wurden z. B. mehrere Spenden für den Stein von Wienand Kaasch damit begründet, dass kein Grab existiere, da sein Leichnam von den Nazis in die Müllgrube des Zuchthauses Luckau geworfen worden sei.
Bei Gertrud Seele wurde mehrfach darauf verwiesen, dass sie stellvertretend für die Beteiligung von Frauen am Widerstand gegen den Nationalsozialismus stehe.
Wir haben uns bereits mit dem für die Verlegung in Neukölln zuständigen Museum Neukölln und der Berliner Koordinierungsstelle Stolpersteine in Verbindung gesetzt, um diesen Wünschen Rechnung zu tragen.
Weitere Spenden wurden von Bürgerinnen und Bürgern direkt auf die Konten des Bezirksamtes Neukölln und der Koordinierungsstelle Solpersteine Berlin eingezahlt.
Hier zeigt sich der Charakter dieses größten dezentralen Mahnmals der Welt als zivilgesellschaftliche Erinnerungs- und Gedenkkultur.
Letztere wird nicht von staatlichen Ämtern und Einrichtungen oder großen Gesellschaften getragen und finanziert. Vielmehr basiert sie in erster Linie auf dem Engagement der „kleinen Leute”, Verwandten der Opfer, Nachbarinnen und Nachbarn, Schülerinnen und Schüler oder lokalen Initiativen.
Nur vor diesem Hintergrund sind Ausmaß und Intensität dieser Form von Gedenkkultur zu erklären.
Die überwältigende Spendenbereitschaft stellt einen unübersehbaren Beweis dar, dass der feige Anschlag auf das zivilgesellschaftliche Gedenken an die rassischen und politischen Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft von eben dieser Zivilgesellschaft nicht hingenommen wird.
Hufeisern gegen Rechts bedankt sich für den großen Zuspruch. Wir sind tief beeindruckt und werden alles tun, um dem mit den Spenden und Solidaritätsschreiben verbundenen Vertrauen gerecht zu werden.
Gedenkveranstaltung vor der ehemaligen Albrecht-Dürer-Apotheke
Der 9. November 2017 in Britz:
Kein stilles Gedenken, sondern eine laute Kampfansage
Eigentlich sollte es ein ruhiges Gedenken an die Opfer des antisemitischen Pogroms werden.
Ausgesucht hatten wir uns die ehemalige Apotheke des jüdischen Apothekers Adolf Mockrauer, Buschkrugallee 179. Beispielhaft wollten wir zeigen, wie auch in unserer Siedlung jüdische Menschen gewaltsam ausgegrenzt und in den Tod getrieben worden sind.
Menschen, die unter der Bewohnerschaft beliebt und anerkannt waren, Menschen, die sozial und hilfsbereit waren. Sie erfuhren auch Unterstützung, die sie allerdings vor der Gewalt nur unzureichend schützen konnte.
Adolf Mockrauer wurde enteignet, seiner Lebensgrundlage entzogen. Zwar gelang ihm die Flucht nach Südamerika, doch ohne berufliche Perspektive, mittellos und ohne soziale Kontakte nahm er sich aus Verzweiflung das Leben.
Wir wollten erinnern, wie sich die Täter an dem jüdischen Besitz bereicherten und diesen Besitz ungeschoren in das Nachkriegsdeutschland mitnehmen konnten.
Doch der feige Diebstahl der Stolpersteine in der Nacht vom 5. Auf den 6. November änderte vieles. Der 9. November 1938 gewann aufgrund dieser Schändung eine traurige Aktualität.
Mehr als 200 Menschen klatschen zu den Reden Beifall, wenn der Kampf gegen Neonazismus und Rechtspopulismus als Grundkonsens aller demokratischen Parteien und Organisationen angesprochen wurde.
Sie waren alle gekommen, um ihren Protest gegen die Schändung des Gedenkens an die Opfer des Faschismus zu erheben und unabhängig von ihren unterschiedlichen partei- und gesellschaftspolitischen Anschauungen die Gemeinsamkeiten im Kampf gegen rechts zu demonstrieren.
Bereits in den letzten beiden Tagen war deutlich geworden, auf welche Empörung der Raub der 16 Stolpersteine in Britz gestoßen ist.
So konnte die Neuköllner Bürgermeisterin auf der Kundgebung verkünden, dass die bisherigen Spendengelder nicht nur für den Ersatz der entwendeten Steine, sondern weit darüber hinaus für die Verlegung einer großen Anzahl weiterer Steine reichen.
Während Jürgen Schulte von Hufeisern gegen Rechts die Traditionslinie der neonazistischen Gruppierungen, die sich hinter dem Label „Freien Kräfte” verbergen, zu den Verbrechen des Novemberpogroms 1938 verdeutlichte, ging Chaja Böbel von der IG Metall-Schule Pichelsee auf die Schwierigkeiten bei der Überwindung von Antisemitismus und anderen Formen des Rassismus ein, die den Kampf gegen das Erstarken rechter Kräfte nicht zu einem Selbstläufer machen.
Alle drei Redner*innen forderten die Anwesenden dazu auf, Rassismus und Geschichtsrevisionismus, wo immer sie ihren Vertretern begegnen, nicht stillschweigend zuzusehen, sondern sich diesen Feinden einer demokratischen Entwicklung in den Weg zu stellen.
Anschließend zogen viele Teilnehmer*innen zu den Orten, an denen die sieben Stolpersteine der Hufeisensiedlung herausgerissen und damit die Gedenkorte geschändet wurden, um Blumen und laminierte Informationsblätter über den jeweiligen Widerstandskämpfer zu hinterlegen.
Diese Reaktion zeigt, dass der Angriff auf die demokratische Gedenkkultur, die sich auch in den Stolpersteinen ausdrückt, erfolglos, aber nicht folgenlos geblieben ist.
Die Schamlosigkeit mit der diese Attacke begangen wurde, hat viele Anwohner*innen aufgeschreckt und ihnen die Unmenschlichkeit der Täter und ihrer Gesinnung vor Augen geführt.
Die Anwesenden waren sich jedenfalls einig, dass sie vor den rechten Rassisten und Geschichtsrevisionisten nicht in die Knie gehen werden.
Presseerklärung
der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts zur Entwendung aller sieben Stolpersteine in der Britzer Hufeisensiedlung
In der Nacht vom 5. zum 6. November 2017 wurden die 7 in der Hufeisensiedlung verlegten Stolpersteine ausgegraben und entwendet. Die Stolpersteine in unserer Siedlung erinnern alle an Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Sie gehörten Organisationen der deutschen Arbeiterbewegung an oder standen ihnen nahe.
So finden wir neben dem anarchistischen Künstler Stanislaw Kubicki, der sich 1939 dem polnischen Widerstand anschloss, die Kommunisten Hans-Georg Vötter, Wienand Kaasch und Rudolf Peter sowie die Sozialisten Gertrud Seele, Heinrich Uetzfeld und Georg Obst, die in Berlin gegen den deutschen Faschismus auf unterschiedliche Weise gekämpft haben. Sie alle stehen stellvertretend für die Vielfalt des Arbeiterwiderstands, der von 1933 bis 1945 in der Großsiedlung Britz existiert hat.
So vielfältig wie die widerständigen Menschen sind auch die Initiatoren der einzelnen Stolpersteinverlegungen, mit denen nicht nur an das Schicksal der Geehrten erinnert wird, die ihre eindeutige Haltung gegenüber einem unmenschlichen Regime mit dem Leben bezahlt haben. Gleichzeitig sollen die Stolpersteine auf ein „Nie wieder!” hinweisen und eine Warnung darstellen, wohin Intoleranz, Gewaltherrschaft und Rassismus führen kann.
Initiiert und gespendet wurden die Steine von Klassen aus der Fritz-Karsen-Schule, der Alfred-Nobel-Schule und der Albert-Einstein-Oberschule, den Gewerkschaften ver.di und IG Metall, der Britzer SPD sowie der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts.
Für einen politisch rechtsmotivierten Hintergrund der Tat spricht nicht nur der antifaschistische Hintergrund der Stolpersteinehrungen in der Hufeisensiedlung. Auch der Zeitpunkt weist darauf hin. Immerhin steht der 9. November kurz bevor, den wir in Erinnerung an die Reichspogromnacht mit einem Gedenken vor der vor 79 Jahren zerstörten Apotheke des jüdischen Apothekers Adolf Mockrauer begehen wollen.
Ohne eine direkte personelle Verbindung unterstellen zu wollen, ist auch der Antrag der AfD aus der Oktober Sitzung der Neuköllner BVV beachtenswert. In diesem Antrag lehnt die AfD diese Form der Erinnerungskultur ab und fordert, dass das Bezirksamt jegliche Unterstützung einzustellen hat. Auch wenn der Antrag von allen anderen Parteien abgelehnt wurde, erreichte die AfD durch diese Provokation wieder die Öffentlichkeit. Es ist durchaus denkbar, dass die Neuköllner rechte Szene sich als Vollstreckerin der AfD-Ideen versteht. Immerhin war auf der BVV-Sitzung auf der Zuschauertribüne Tilo Paulenz zu sehen, der in der Vergangenheit bereits mehrfach an Aktivitäten der Südneuköllner Neonazi-Szene beteiligt war.
Es ist bereits Strafanzeige gestellt worden. Die Polizei überprüft zzt., ob über die Hufeisensiedlung hinaus noch weitere Stolpersteine in Britz beschädigt oder entfernt worden sind.
Die Fotos zeigen die Tatorte der Entwendungen der Stolperstein für Wienand Kaasch (oben) und Gertrud Seele (unten).
Mit freundlichen Grüßen
die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts
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Eine denkwürdige Stolpersteinverlegung für Wienand Kaasch in der Hufeisensiedlung
Vor den Redebeiträgen erklang Brechts Solidaritätslied, vorgetragen von Isabel Neuenfeldt.
Immer mehr der 60 Anwesenden stimmten ein. Schon vor den Redebeiträgen war die Richtung der Ehrung vorgegeben. Es ging um Solidarität im gemeinsamen Kampf gegen Rechtspopulismus und Faschismus.
Gewürdigt wurde der kommunistische Metallgewerkschafter und Widerstandskämpfer Wienand Kaasch. Seine illegale Wohnung befand sich in der Hufeisensiedlung, im Haus Parchimer Allee 94.
1935 war er aus dem Moskauer Exil nach Berlin mit dem Auftrag zurückgekehrt, für die Aktionseinheit von Sozialdemokraten und Kommunisten und für den Wiederaufbau freier und unabhängiger Gewerkschaften zu werben.
Rückblickend kann gesagt werden, dass ihm zu wenig Zeit blieb, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.
Schon vier Wochen nach dem Beginn seiner Arbeit in Berlin wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und zu 11 Jahren Zuchthaus wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens” verurteilt.
Diese Zuchthausstrafe hat er nicht überlebt. Am 19 Januar 1945 ist er aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen im Zuchthaus Luckau verstorben.
Wie genau die Faschisten die Gefahr durch ein einheitliches Handeln der Arbeiterbewegung erkannten, sprachen sie in der Urteilsbegründung gegen Kaasch aus.
Sein Handeln sei besonders verwerflich, da „es zur Bildung einer für den Bestand des Staates äußerst gefährlichen Einheitsfront führen sollte.”
Ihr schonungsloser Wille zur Auslöschung dieses Mannes machte selbst vor seinem Tod nicht halt.
Um jegliche Erinnerung auszulöschen, wurde Wienand Kaasch nicht beerdigt, sondern sein Leichnam in die Abfallgrube des Zuchthauses geworfen.
Alle Redner wiesen auf die Lehre hin, die uns dieser und viele andere antifaschistischen Widerstandskämpfer hinterlassen haben.
Bei allen politischen Differenzen darf es im Kampf gegen Rassismus, Nationalismus und Faschismus keinen parteipolitischen Egoismus geben.
Hier ist die Solidarität aller Demokraten gefragt. Dies zeige sich, so der Neuköllner Bildungsstadtrat Jan Christopher Rämer, auch heute im Kampf gegen die Rechtspopulisten der AfD.
Am Auftreten ihrer Vertreter*innen in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung könne jeder studieren, wie sich zunehmend der Wolf seines Schafspelzes entledige.
Auch die IG Metall-Vertreterin Chaja Böbel wies auf die Fehler der Vergangenheit hin, aus denen ihre Gewerkschaft die Lehre gezogen hat, den Kampf gegen neofaschistische, militaristische und reaktionäre Elemente in ihrer Satzung zu verankern und diesen auch in den Betrieben und der Öffentlichkeit zu führen.
So wurde aus dem Gedenken eine kämpferische Veranstaltung für Demokratie und soziale Gerechtigkeit, was sich auch in dem abschließend gemeinsam gesungenen Arbeiterlied „Brüder zur Sonne, zur Freiheit” ausdrückte.
Aus Anlass des Gedenkens wird eine Broschüre herausgegeben, in der zwei Gewerkschafter aus der Hufeisensiedlung Informationen über das politische Leben von Wienand Kaasch zusammengetragen haben.
Erich-Mühsam-Gedenken 2017
Trotz Wind und Regen kamen über 200 Besucher zur Hufeisentreppe.
Als gegen 19:40 Uhr die letzten Töne der Band der Singende Tresen aus ihrem Mühsam-Programm verklangen, war die Hufeisentreppe trotz einsetzendem Regen noch immer gut gefüllt.
Doch nicht nur der anspruchsvolle literarisch-musikalische Part des Nachmittags fand den Beifall der Anwesenden.
Bereits vorher waren viele den angebotenen Führungen gefolgt, die über Mühsams Wirken in der Siedlung sowie über die Vertreibung von Bewohnern der Siedlung im Jahr 1933 durch die Nazis anhand einer Straße informierten.
Darüber hinaus gab es Informationsstände von demokratischen Initiativen, Organisationen und Parteien. Und nicht vergessen werden dürfen das Kuchenangebot sowie der Bratwurststand.
So konnten die Gäste sich ohne Magenknurren an dem 4-stündigen Fest erfreuen.
113 von ihnen unterzeichneten einen Offenen Brief an die Neuköllner Mitglieder der Abgeordnetenhausfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Partei Die Linke, in dem die mangelhafte Aufklärung der aktuellen rechten Übergriffe kritisiert wird.
Die Abgeordneten werden darin aufgefordert, gemeinsam eine großen Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus über die Frage zu initiieren,
wie „der Schutz des demokratischen Engagements” vor Übergriffen aus der rechtsextremistischen Szene besser als in der Vergangenheit gewährleistet werden kann.
Dem zum fünften Mal von Hufeisern gegen Rechts veranstalteten Mühsam-Gedenken wird sicherlich im nächsten Jahr ein sechstes folgen.
Darin waren sich Besucher und Veranstalter einig.
Hufeisern gegen Rechts ehrt die Kämpfer für ein besseres Deutschland
6 Stolpersteine erinnern in der Hufeisensiedlung an die letzten Wohnungen von Menschen, die dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer fielen.
Obwohl diese Männer und Frauen nicht aus rassischen, sondern aus politischen Gründen verhaftet und ermordet wurden, fand die Ehrung am 9. November statt, dem Erinnerungstag an das Pogrom der deutschen Faschisten gegen die jüdische Bevölkerung.
Mit der Wahl dieses Tages wollen wir verdeutlichen, dass er symbolisch für den Terror des deutschen Faschismus im allumfassenden Sinne steht.
Es gibt keine zwei Kategorien von Opfern der Nationalsozialisten.
Der Verfolgung und Ermordung lagen in gleicher Weise rassistische und politische Motive zugrunde.
21 Personen beteiligten sich dieses Jahr an der Ehrung der Widerstandskämpfer*innen, die aus verschiedenen Richtungen der sozialistischen Arbeiterbewegung kamen.
Gemeinsam war ihnen aber der Kampf gegen die faschistische Gewaltherrschaft und für ein besseres, soziales Deutschland.
An jedem Stein gab es eine kleine Gedenkveranstaltung. Der Stein wurde geputzt, ein Informationsblatt ausgelegt und mit einem kurzen Vortrag über die Person und ihre Widerstandstätigkeit informiert.
Gemeinsam mahnen die 6 Ermordeten daran, dass über alle Differenzen hinweg die Demokraten im Kampf gegen den heutigen Rechtspopulismus und Neofaschismus zusammenstehen müssen.
Marina Caba Rall und ihr Roman „Esperanza” - ein spannender Nachmittag im Hufeisencafé
Dichtungen entstehen nur nach mühsamen Reisen in den weiten Gebieten des Denkens und der Gesellschaft (Honoré de Balzac).
Kein Stuhl war im Hufeisencafé in der Fritz-Reuter-Allee 44 mehr frei, als am Samstagnachmittag um 15 Uhr Marina Caba Rall die Besucher*innen zu einer literarischen Reise einlud und die Anwesenden nicht nur zum Denken, sondern auch zu einer regen Diskussion anregte.
Mit Hilfe von Auszügen umriss die Autorin wesentliche Themenkomplexe ihres im Frühjahr dieses Jahres erschienen Romans „Esperanza”.
Erzählt wird die Geschichte der spanischen Arbeitsmigrantin Esperanza, die in den 60er Jahren nach Berlin kommt. Wir erfahren die Gründe für ihre Auswanderung aus einem Dorf in der spanischen Provinz Extremadura, die eng mit der Diktatur des Franco-Regimes verbunden sind.
Wir lernen aus ihren Erfahrungen das Erleben der „Gastarbeiter”-Situation in der Bundesrepublik dieser Zeit kennen, die Momente der unwürdigen Behandlung, die auf ihrer als Arbeitskraft reduzierten Rolle beruhten, aber auch die Wandlung zu einem anerkannten Teil der Gesellschaft. Die Wertschätzung als Kollegin im Betrieb und im privaten Bereich, die Gründung einer Familie, alles dies weist auf den Umstand hin, dass Menschen mehr sind als Produktionsmittel. Sie sind Wesen mit Verstand und Gefühl, die soziale Bezüge brauchen und diese suchen und finden.
Doch die Erzählung zeigt auch, dass es immer das ganze Leben ist, durch das der Mensch geprägt ist. Ohne die Vergangenheit ist das Leben in der Gegenwart nicht möglich.
Die verschwiegenen Erlebnisse der Franco-Ära holen Esperanza wieder ein und zwingen sie zur Offenbarung gegenüber ihrer Familie. Ihr Schweigen ist in diesem Fall kein Gold, sondern führt zu einer schmerzhaften Auseinandersetzung, die sie sowohl mit ihrer Familie als auch mit sich selbst führen muss.
Die Erzählung umfasst lediglich einen kurzen Ausschnitt aus dem Leben Esperanzas, eine sich über mehrere Tage erstreckende Reise in ihr spanisches Heimatdorf.
Die Autorin verfolgt keinen chronologischen Erzählstrang. Vielmehr werden dem Leser mit Hilfe häufiger Rückblenden immer wieder Bruchstücke der Vergangenheit vermittelt. Auf diese Weise wird die Spannung gehalten und gesteigert. Schrittweise fügen sich diese Fragmente zu einer Lebensgeschichte, zu einem Ganzen zusammen. Dabei werden die Versatzstücke nicht nur aus der eigenen Erinnerung Esperanzas vermittelt, sondern auch aus der Perspektive ihrer Tochter Karla und ihres Sohnes Juan.
Auf diese Weise gelingt es Marina Caba Rall in nachhaltiger Weise zu zeigen, dass Persönlichkeitsentwicklung und Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie untrennbar verbunden sind und wie sehr das Fliehen vor der eigenen Geschichte auch die kommende Generation noch trifft und betrifft. Gleichzeitig macht sie aber auch deutlich, dass dieser Prozess sich nicht auf den privaten Bereich von Einzelschicksalen beschränken kann, sondern die Aufarbeitung von Vergangenheit entsprechend ihrer gesellschaftlichen Bedeutung auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene betrieben werden muss.
Mit diesem Buch mischt sich die Autorin sowohl in die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Franquismus in Spanien als auch in die Migrationsdebatte in Deutschland ein.
In der anschließenden mehr als einstündigen Debatte wurde nicht nur über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland und in Spanien diskutiert, sondern auch die aktuelle Migrationsdebatte in Deutschland mit den darin enthaltenen Assimilations- und Integrationsansätzen kritisch aufgegriffen. Hier wies Marina Caba Rall darauf hin, dass sie den Begriff Integration nur ungern benutzt. Dieser fordert nur Anpassung von einer Seite, das reale Leben vollzieht sich jedoch - und das hat die Geschichte eindrücklich belegt - in einer anderen Art und Weise. Es sollte statt Integration lieber das Wort Interaktion verwendet werden. In Deutschland wird oft so getan, als gäbe es eine monolithische Kultur. Das sei Unsinn. In Deutschland gibt es verschiedene Werte, es gibt Leute, die glauben, es gibt Leute, die nicht glauben, es gibt Leute, die protestantisch sind, es gibt Leute, die Buddhisten geworden sind, es gibt verschiedene politische überzeugungen, es gibt Spätzle und Knödel und Kebab und Gulasch. Man tut so, als wäre Deutschland ein einheitlicher Werteblock. Dem ist aber nicht so! Man sollte also mehr über Interaktion reden, davon reden, wie man sich gegenseitig befruchten kann.
Umfang und Qualität der Diskussion ergaben ein eindeutiges Urteil über das Buch.
Es lautet: UNBEDINGT LESENSWERT.
Hufeisern gegen Rechts bedankt sich bei dem Verein der Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung Berlin-Britz für die Nutzungsmöglichkeit der Räumlichkeiten.
Stolpersteinverlegung für Georg Obst
Etwa 40 Personen gedachten anlässlich der Verlegung eines Stolpersteins vor seinem letzten Wohnort am Freitag, dem 23. September 2016, dem sozialdemokratischen Antifaschisten Georg Obst.
In Anwesenheit von mehreren Mitgliedern des Abgeordnetenhauses und der Neuköllner BVV betonten Bildungsstadtrat Jan Christopher Rämer sowie der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer die Bedeutung dieser Erinnerungskultur für den Erhalt und den Ausbau einer streitbaren Demokratie.
Bei allen politischen Unterschieden müsse es eine Gemeinsamkeit unter den demokratischen Kräften geben: den Willen zum gemeinsamen Kampf gegen die wiedererstarkende politische Rechte in der Bundesrepublik.
Ihren Einsatz für Demokratie und soziale Gerechtigkeit hätten Menschen wie Georg Obst mit dem höchsten Preis, ihrem Leben, bezahlt.
Damit hätten sie uns eine Verpflichtung mit auf den Weg gegeben: Demokratie werde nicht nur in Wahlen und Parlamenten betrieben, sondern auch im alltäglichen Leben dürfe der einzelne bei rassistischen und nationalistischen Äußerungen nicht schweigen, sondern müsse ihnen entgegentreten.
Der aus Münster mit seiner Familie angereiste 83-jährige Sohn Bernd Obst dankte noch einmal der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts für die Würdigung seines Vaters.
Er sei überrascht gewesen, dass sich nach so langer Zeit noch einmal jemand an ihn erinnert habe und ihm die verdiente Anerkennung bekunde.
Das Bild der Veranstaltung wäre unvollständig, wenn nicht auf die musikalische Begleitung durch Isabel Neuenfeldt hingewiesen würde, die zwischen und nach den einzelnen Reden demokratische Lieder zum Akkordeon sang.
Dabei blieb sie nicht allein. Als sie das Arbeiterlied „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘„ anstimmte, sang ein Großteil der Anwesenden mit.
Auch das abschließende Volkslied „Die Gedanken sind frei”, entstanden Ende des 18. Jahrhunderts, klang im vielstimmigen Chor als eine Ansage der Versammelten gegen Intoleranz und Engstirnigkeit durch die Gielower Straße.
Die Ehrung setzte sich am Abend mit einer Diskussionsveranstaltung über den sozialdemokratischen Widerstand fort.
In dem bis auf den letzten Platz gefüllten Hufeisen-Café in der Fritz-Reuter-Allee 44 diskutierten die Teilnehmer*innen mit dem Referenten R. Wenzel von der August-Bebel-Stiftung über die verschiedenen Widerstandsformen innerhalb der SPD in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft.
Doch es blieb nicht nur bei der historischen Betrachtung, sondern auch die Frage nach Lehren der Geschichte für die heutige Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und Rechtspopulismus wurde thematisiert.
Es herrscht Einigkeit darüber, dass diese Diskussion fortgesetzt werden müsse, um über den Anspruch eines gemeinsamen Vorgehens gegen rechte Parteien und Gruppierungen hinaus praktische politische Handlungen auszuloten, mit denen dieser Anspruch in Neukölln umgesetzt werden könne.
Schon eine kleine Tradition
Gedenken an Erich Mühsam
Gedenken an Erich Mühsam
Auch im Jahr 2016 gedachte die Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts mit vielen Gästen an den Dichter und Revolutionär Erich Mühsam. Anlass war die Ermordung Erich Mühsams durch die Nationalsozialisten vor 82 Jahren im KZ Oranienburg.
Den künstlerischen Rahmen gestaltete die Gruppe Der singende Tresen mit ihrem literarisch-musikalischen Programm Mühsamblues.
Erich Mühsam zog 1927 in die neuerbaute Hufeisensiedlung in Neukölln-Britz in die Dörchläuchtingstr. 48 ein und beteiligte sich bis zu seiner Verhaftung am 27. Februar 1933 aktiv am gesellschaftlichen Leben in der Hufeisensiedlung.
Seine entschlossene Haltung gegen Krieg und Rassismus und für soziale Gerechtigkeit hat angesichts der aktuellen Entwicklung auch heutzutage nichts an Bedeutung verloren.
Rückblick auf den Vortrag und die Diskussion mit Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann (TU Berlin und Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam)
Der Vortrag in den Räumen der Berliner Stadtmission war sehr gut besucht.
Prof. Hachtmann informiert zu Beginn, dass er auf keine Forschungen zu Zwangsarbeit in Britz eingehen kann.
Er berichtet über die Deutsche Arbeitsfront als mitgliederstärkste NS-Massenorganisation, macht Ausführungen zum Begriff Zwangsarbeit und informiert darüber, dass 1933 die Gewerkschaftsbewegung zerschlagen und die Betriebsräte abgeschafft wurden.
Er erklärt, dass man sich die gesamte Gesellschaft im sog. „Altreich”, vor allem aber die Arbeiterschaft als rassistisch gestufte Hierarchie vorstellen muss, in der Arbeitskräfte nach ihrer nationalen Zugehörigkeit, d.h. entsprechend ihrem „Wert” nach angeblicher Rasse eingestuft wurden.
Der Vortrag ist in vier Teile gegliedert:
Teil 1: „Zivile” Fremdarbeiter (die hinter dem Adjektiv „zivil” steckende Freiwilligkeit war seit 1941 fast aufgehoben).
Die Fremdarbeiter waren mit Abstand die größte Gruppe unter den ausländischen Arbeitsnehmern, die zwischen 1938 und 1945 im sog. Altreich für die deutsche Kriegsführung und die deutschen Rüstungsunternehmen schufteten, und zum anderen, weil sie die Bewohner der sog. Fremdarbeiterlager waren.
Teil 2: Hier geht es um die Kriegsgefangenen, die zur Arbeit in der Industrie gezwungen wurden.
Ein kleiner Teil wurde daher von 1942 bis 1944 in den so genannten Zivilstatus überführt und als Fremdarbeiter eingesetzt.
Teil 3: In diesem Teil werden die KZ-Häftlinge behandelt, und zwar deren industrieller sog. Arbeitseinsatz ab 1943.
Die Zwangsarbeit von Menschen, die von den Nazis nach rassistischen Kriterien als „Juden” klassifiziert wurden, wird aus Zeitgründen ausgeklammert. Prof. Hachtmann merkt hier an, dass der sog. Arbeitseinsatz für „Juden” immer nur ein Aufschub der Vernichtung war.
Teil 4: Prof. Hachtmann geht hier kurz auf Berlin und Britz ein.
Auch in Britz existierten nachweislich 47 Zwangsarbeiterlager, mindestens zwei davon im Bereich der Hufeisensiedlung. Belegt ist außerdem die Beschäftigung von Zwangsarbeiter*innen in Kleinbetrieben und Privathaushalten der Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung.
Prof. Hachtmann zitiert die Journalistin Ursula von Kardorf (1944): „über den Bahnhof Friedrichstraße mit seinen breiten Treppen, die in eine Art Unterwelt führen (…). Dort ist es so, wie ich mir Shanghai vorstelle.
Zerlumpte malerische Gestalten in wattierten Jacken mit den hohen Backenknochen der Slawen, dazwischen hellblonde Dänen und Norweger, fahle, frierende Italiener – ein Völkergemisch, wie es wohl noch nie in einer deutschen Stadt zu sehen war. Fast ausschließlich Ausländer sind da unten, Deutsch hört man kaum.”
Der Vortag endet mit diesem Zitat. Prof. Hachtmann erhält viel positive Resonanz von den Anwesenden.
Anschließend gibt es eine längere lebhafte Diskussion und die Beantwortung vieler Fragen. Es ist ein sehr informativer Abend. Durch das während des Vortrags herumgereichte Handout und die einzusehende Literatur haben die Besucher Anregungen erhalten, sich weiter mit diesem Thema zu beschäftigen. Eine weitere Empfehlung ist der Besuch des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit in Oberschöneweide.
Hufeisern gegen Rechts dankt Herrn Professor Hachtmann sehr für diesen interessanten Vortrag und der Berliner Stadtmission, dass sie den Raum zur Verfügung gestellt hat.
15. November - 06. Dezember 2015
Rückblick auf eine gelungene Ausstellung über Margarete Kubicka
Drei Wochen lang, vom 15. November 2015 bis zum 6. Dezember 2015, gaben dreißig Originalbilder einen Einblick in das künstlerische Schaffen, aber auch in das Leben von Margarete Kubicka, die von 1927 bis 1956 in der Hufeisensiedlung gelebt hat.
Ergänzt wurde die Ausstellung von drei Begleitveranstaltungen, in denen die Kunsthistorikerinnen Dr. Borek und Dr. Gluchowska sowie der Sohn der Künstlerin, Dr. Kubicki, tiefe und anschauliche Einblicke in die politische, künstlerische und persönliche Welt der Margarete Kubicka vermittelt haben.
Die Kubicka war eine erstaunliche Frau, die nicht nur Gründungsmitglied der deutsch-polnischen Expressionistengruppe „Bunt” (dtsch. Revolte) und der anarchistisch orientierten Künstlervereinigung „Kommune” war, sondern sie gehörte ab 1923 auch der von Franz Wilhelm Seiwert initiierten „Gruppe progressiver Künstler” an, in deren internationalen Ausstellungen ihre Bilder präsentiert wurden, so u. a. 1926 in Moskau und 1930 in Chicago.
Zu ihrem weiten Freundeskreis zählten u. a. Otto Freundlich, Raoul Hausmann, Else Lasker-Schüler, Marc Chagall sowie Erich und Zenzl Mühsam.
Als Antifaschistin - sie half nicht nur Zenzl Mühsam 1934 bei ihrer Flucht, sondern versorgte auch von 1941 bis 1945 polnische Zwangsarbeiter in Britz mit Lebensmitteln und Informationen - wurde sie unmittelbar nach der Vertreibung der Nationalsozialisten aus Neukölln im April 1945 die erste Neuköllner Schulrätin.
Hufeisern gegen Rechts bedankt sich noch einmal bei Dr. Karol Kubicki und seiner Frau für die großartige Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Ausstellung. Ein großes Danke-Schön gilt auch dem Verein der „Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung”, die als Betreiber des Hufeisen-Cafés nicht nur die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und für die Bewirtschaftung gesorgt haben, sondern uns auch in organisatorischer Hinsicht, wie beim Auf- und Abbau oder in versicherungstechnischen Fragen, tatkräftig geholfen haben.
Und schließlich danken wir auch den Besucherinnen und Besuchern, darunter auch drei ehemalige Schülerinnen von Margarete Kubicka, deren Interesse uns Mut gemacht hat, auch in Zukunft Veranstaltungen über markante Persönlichkeiten oder Ereignisse aus der Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung ins Auge zu fassen.
Margarete Kubicka ist 1927 mit ihrem Mann Stanislaw Kubicki und den zwei Kindern in die Onkel Bräsig Straße 46 gezogen und hat dort bis zum Jahr ihrer Pensionierung in 1956 gelebt. Die Ausstellung zeigte sowohl die beeindruckende künstlerische Vielfalt als auch das soziale und politische Engagement der Malerin und Lehrerin.
Gedenken an den rechten Terror in unserer Siedlung!
Fünf Stolpersteine wurden bisher in der Hufeisensiedlung verlegt. Die Messingtafeln der in den Bürgersteig eingesetzten Steine beginnen alle mit den Worten: „Hier wohnte”. In diesen Häusern lebten Frauen und Männer, die von den deutschen Faschisten verfolgt, vertrieben und zum großen Teil ermordet wurden.
Hufeisern gegen Rechts nahm den 9. November, den Tag, an dem die Nationalsozialisten 1938 ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung in ganz Deutschland initiierten, zum Anlass, an die fünf Britzer Bürger/innen zu erinnern.
Am 9. November haben wir - stellvertretend für alle Opfer rechter Gewalttaten - dieser fünf Menschen und ihrer Geschichte gedacht, indem wir mit Lichtern und kleinen Informationstexten ihre Namen und ihre Haltung sichtbar machten:
Rudolf Peter, Gielower Str. 32c
Heinrich Uetzfeld, Parchimer Allee 7
Gertrud Seele, Parchimer Allee 75
Stanislaw Kubicki, Onkel-Bräsig-Str. 46
Hans-Georg Vötter, Onkel-Bräsig-Str. 111
Mögen Licht und Erinnerung uns eine Mahnung sein!
Tag der Erinnerung und Mahnung - Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg
Überlebende der Konzentrationslager und Zuchthäuser begründeten vor 70 Jahren die Tradition, am zweiten Sonntag im September der Opfer des Faschismus zu gedenken. Das in „Werner-Seelenbinder-Kampfbahn” umbenannte Neuköllner Stadion vereinte am 9. September 1945 Zehntausende Berliner*innen, darunter Frauen und Männer unterschiedlicher Gruppierungen des deutschen Widerstandes, Überlebende des Holocaust sowie Angehörige und Freunde der in der NS-Zeit Ermordeten.
Als Tag der Erinnerung und Mahnung - Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg - verbindet er seit dem 9. September 1990 das Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes mit wichtigen Debatten in der Gegenwart.
Am 13. September 2015 nahm Hufeisern gegen Rechts mit einem eigenen Stand am Fest der Begegnung im Schillerkiez, organisiert durch die VVN-BdA, teil und konnte auf der Bühne interessante Beiträge verfolgen und die Atmosphäre genießen.
Rückblick auf die Ausstellung über Stanislaw Kubicki
Vom 1. bis zum 18. Mai 2014 luden Hufeisern gegen Rechts und die Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung Berlin-Britz e.V. gemeinsam zu einer Ausstellung ein.
Ergänzt wurde die Ausstellung von drei Begleitveranstaltungen, in denen die Kunsthistorikerinnen Dr. Borek und Dr. Gluchowska sowie der Sohn der Künstlerin, Dr. Kubicki, tiefe und anschauliche Einblicke in die politische, künstlerische und persönliche Welt der Margarete Kubicka vermittelt haben.
Hier wurde der Graphiker, Maler und Schriftsteller Stanislaw Kubicki geehrt, der von 1927 bis 1934 in der Hufeisensiedlung wohnte, bevor er vom deutschen Faschismus bedroht ins polnische Exil ging. Dort schloss er sich 1939 dem polnischen Widerstand an.
Der 1942 von der Gestapo in Warschau ermordete Künstler hat ein umfangreiches Werk hinterlassen, das ihn als einen bedeutenden Vertreter des Expressionismus und Konstruktivismus ausweist. Geprägt von der deutschen und polnischen Kultur war ihm nationale Enge fremd. Seine Vorstellungen entsprachen eher einer Welt, in der der Mensch als Teil der Natur in dieser aufgeht, indem er sie als ebenbürtig ansieht und entsprechend achtungsvoll mit ihr umgeht.
Umrahmt wurde die Ausstellung von 4 Begleitveranstaltungen:
- Am Donnerstag, dem 1. Mai 2014 fand um 15.00 Uhr die Eröffnung der Ausstellung im Hufeisencafé statt. Der Sohn von Stanislaw Kubicki, Dr. Stanislaw Karol Kubicki, gab einen Einblick in die Persönlichkeit des Künstlers und einen Überblick über seinen Lebensweg.
- Am Sonntag, dem 4. Mai 2014, um 15.00 Uhr hielt die Kunst- und Kulturhistorikerin Dr. Lidia Gluchowska in der Seniorenfreizeitstätte „Bruno-Taut” einen einleitenden Vortrag „Stanislaw Kubicki - Bilder und Hintergründe” und führte anschließend durch die Ausstellung.
- Am Sonntag, dem 11. Mai 2014, um 15.00 Uhr trugen im Hufeisencafé die Schauspielerin Laura Schwickerath und der Schauspieler Przemyslaw Walkowicz zweisprachig verfasste Gedichte von Stanislaw Kubicki aus den Jahren 1919 bis 1921 vor.
- Am Sonntag, dem 18. Mai 2014, um 15.00 Uhr hielt der Kunsthistoriker Dr. Andreas Hüneke von der FU-Berlin einen Vortrag mit dem Titel „Verfemt und vernichtet. Das Schicksal von Künstlern und ihren Werken in der NS-Zeit.”
Pflege des Mühsam-Gedenksteins
Neben der Organisation des jährlichen Gedenktages übernahm die Anwohner*inneninitiative auch die Restaurierung der Tafel sowie die Bepflanzung und Pflege des Mühsam-Gedenksteins in der Dörchläuchtingstraße, in der Nähe seines ehemaligen Wohnhaus.
Anlass war die Ermordung Erich Mühsams durch die Nationalsozialisten vor 82 Jahren im KZ Oranienburg.
Herzlichen Dank für die ehrenamtliche Tätigkeit des Steinmetzes!
nach oben DruckversionHistorische Kiezspaziergänge zu Orten von Verfolgung und Widerstand in der Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung
Vor 80 Jahren änderte sich das Gesicht Deutschlands. Auch die Hufeisensiedlung blieb von der nationalsozialistischen Herrschaft nicht verschont.
80 Anwohner*innen wurden von den deutschen Faschisten verhaftet, vertrieben oder ermordet.
Doch es gab auch Beispiele von selbstloser Nachbarschaftshilfe für Bedrohte und Verfolgte, vom Widerstand Einzelner und von Gruppen in unserer Siedlung.
An diese Menschen wollten wir erinnern.
Wir besuchten ausgewählte Erinnerungsorte, an denen die bunte Vielfalt der Bewohnerschaft deutlich wird, die die Nationalsozialisten zu zerstören suchten. Maler und Schriftsteller; Juden, Christen und Atheisten; liberale Demokraten, Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten; Arbeiter, Angestellte, Handwerker und Intellektuelle; viele wollten sich nicht der menschenverachtenden Anschauung des deutschen Faschismus beugen. Aber auch Befürworter und Täter der nationalsozialistischen Diktatur wohnten hier.
Im April 2013 unternahm Hufeisern gegen Rechts einen historischen Kiezspaziergang.
Geleitet wurde dieser von Henning Holsten, einem Mitarbeiter des Museums Neukölln, das zur selben Zeit die Ausstellung „Ende einer Idylle? Die Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung in Britz vor und nach 1933” präsentierte.
Aufgrund des großen Interesses der Anwohner*innen wurde der historische Kiezspaziergang wiederholt.
Ein besonderer Dank an das Museum Neukölln für diese informativen Führungen!
Gertrud Staewen
Ein Leben im Dienste der Rechtlosen
Gertrud Staewen, geb. Ordemann (* 18. Juli 1894 in Bremen; † 10. Juni 1987 in Berlin) war eine deutsche Fürsorgerin, Erzieherin, Sozialpädagogin und Autorin.
Zeitlebens fühlte sie sich den gesellschaftlichen Außenseitern verpflichtet, sei es ihr Engagement für proletarische Jugendliche in den zwanziger Jahren, für Juden in der Zeit des Nationalsozialismus oder für Gefangene der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel, in der sie nach dem Krieg arbeitete.
Ihre Zeit in der Hufeisensiedlung
Gertrud Staewen zog 1928 zusammen mit ihren beiden Kindern in die Dörchläuchtingstraße 35 und lebte hier bis 1937. Die alleinerziehende Mutter passte mit ihren sozialpolitischen Interessen gut in den Kreis der Bewohner der Hufeisensiedlung, von denen viele Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre waren.
Zunächst versuchte sie über das Schreiben ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. 1933 erschien ihr erstes Buch unter dem Titel „Menschen in Unordnung”, das sich mit sozialen Fragen vor allem der Arbeiterjugend auseinandersetzt. Es dauerte jedoch nicht lange und das Buch wurde von den Nationalsozialisten verboten. Ihre zweite Veröffentlichung „Kameradin. Junge Frauen im deutschen Schicksal 1910-1930” landete sofort nach Erscheinen 1936 auf dem Index.
Ihre Mitgliedschaft in der SPD und ihr Engagement für Neuwerk waren Anlass für mehrere Hausdurchsuchungen durch die politische Polizei. Doch belastendes Material konnte nicht gefunden werden; die Haushaltshilfe von Gertrud Staewen, Wilhelmine Fuss, sorgte einmal unter Vortäuschung „großer Wäsche” noch rechtzeitig dafür, von ihr verfasste Broschüren und Schriften zu verbrennen.
Ihr Widerstand gegen das NS-Regime
Von Anfang an lehnte Gertrud Staewen das NS-Regime ab und war sich über die Ziele der Hitlerdiktatur im Klaren, so auch über die „Judenfrage”.
1941, kurz bevor die Deportationen von Juden in den Osten begannen, wurde Gertrud Staewen von der Dahlemer Gemeinde, zu der sie gehörte, von ihrer Arbeit im Burckhardthaus teilweise zur „besonderen Seelsorge” freigestellt. Sie sollte sich intensiv um die von der Deportation bedrohten getauften „Nichtarier” kümmern, vorrangig um Gemeindemitglieder. Die Arbeit bestand vor allem im Besuchsdienst sowie der praktischen und seelsorgerlichen Unterstützung bis zur Deportation.
Gleichzeitig kümmerte sie sich gemeinsam mit einer Gruppe von Freund*innen illegal um Untergetauchte. Sie organisierte gefälschte Ausweise und versuchte - häufig wirksam - durch Bestechungen Menschen freizukaufen, stahl oder kaufte unrechtmäßig Lebensmittelkarten und leistete Fluchthilfe. In einigen Fällen gelang sogar durch Geldzahlungen die Rettung aus dem KZ. Eine jüdische Ärztin, Luzie Adelsberger, wurde von ihr aus dem KZ, kurz vor dem Tod im Gas, durch Bestechung eines Polizisten freigekauft.
Mit unglaublicher Kreativität entwickelte sie Ideen, mit denen sie Juden zur Flucht verhalf. So sammelte sie eine zeitlang überall Mutterkreuze ein, die Orden Hitlers für kinderreiche Mütter. Viele Frauen gaben diese für gefährdete Jüdinnen her. Einem anderen Juden verhalf sie zur Flucht, indem er einen Trauerfall mimte. So radelte er quer durch Deutschland in die Schweiz, am Lenker einen Trauerkranz, jeden Tag war für ihn ein Onkel im nächsten Dorf gestorben, womit er die Polizisten beeindrucken konnte. In Staewens eigener Wohnung lagen stets Monteursanzüge bereit, damit die Juden, die sie versteckte, bei Besuch als Handwerker auftreten konnten.
Aufgrund einer Denunziation flog die Gruppe im Herbst 1943 auf. Die Freundinnen Helene Jacobs und Melanie Steinmetz sowie einige weitere Helfer wurden verhaftet, Franz Kaufmann wurde ermordet. Gertrud Staewen blieb unentdeckt.
Auszeichnungen für ihr Lebenswerk
Ab 1948 bis zu ihrem Ruhestand 1962 war Gertrud Staewen Fürsorgerin im Männergefängnis Berlin-Tegel und als „Engel der Gefangenen” bekannt.
1958 nahm sie der Berliner Senat in die Liste der „Unbesungenen Helden” auf, eine Würdigung, die Menschen zuteil wurde, die Verfolgte während der Zeit des Nationalsozialismus unterstützt hatten.
1983 erhielt sie das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland.
Gertrud Staewen starb 1987 im Alter von 92 Jahren in Berlin und liegt (auf eigenen Wunsch) in einem Doppelgrab neben Rudi Dutschke auf dem St. Annen-Friedhof in Berlin-Dahlem begraben.
Quellen:
Museum Neukölln: Das Ende der Idylle? Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung in Britz vor und nach 1933
Voigt, Ulrike: Eintrag: Gertrud Staewen in http://www.Frauen und Reformation.de
Margarete Kubicka
Margarete Kubicka war nicht immer bequem, aber immer aufrecht und zuverlässig:
Margarete Kubicka hat in der Zeit von 1891 - 1984 gelebt. 1927 ist sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern in die Onkel-Bräsig-Straße 46 gezogen. Für das Ehepaar war es aus vielerlei Gründen der ideale Ort. Die Kinder konnten draußen spielen, Margarete Kukicka konnte als Lehrerin arbeiten und im Haus gab es ein kleines Arbeitszimmer für die Kunst. Margarete Kubicka hat dort bis 1956, dem Jahr ihrer Pensionierung, gelebt.
Margarete Kubickas Kinder; ihre Familie; die Zeit von 1926 bis 1945
1918 wurde ihre Tochter Janina geboren, ihr Sohn Karol 1926.
Schule und familiäre Belastungen ließen ihr von 1926-1945 wenig Zeit, sich künstlerisch zu betätigen - die Familie bestimmte Ihr Denken. Insbesondere die Versorgung, der Schutz der Familie und die Rettung der Kunstwerke (ihres Mannes und die eigenen) hatten oberste Priorität. Um ihr Heim nicht allein zu lassen war sie zu allem bereit, sie täuschte eine Blinddarmentzündung vor und ließ sich den intakten Blinddarm entfernen. Die wenigen Arbeiten, die in dieser Zeit entstanden sind, beschäftigen sich mit ihrem Mann, ihren Kindern, der Britzer Umgebung und Menschen, denen sie auf der Straße begegnete. Trotz aller Schwierigkeiten blieb sie politisch aktiv.
Margarete Kubickas Ehe mit Stanislav
1911 lernte sie Stanislav Kubicki auf der Berliner Königlichen Kunstschule kennen und lieben. 1916 haben Sie gegen den Willen der Familien geheiratet. Beide Familien reagierten mit dem Bruch der Beziehungen. Sie wird von ihrem Sohn als das Haupt der Familie bezeichnet - sie hat das Geld verdient, den Ehemann unterstützt und gefördert - nicht nur mit Literatur, sondern auch finanziell. Dabei vertrat sie stets ihre eigenen künstlerischen und politischen Auffassungen. Heute würde man sie als emanzipiert bezeichnen. Margarete litt sehr unter der durch die Nationalsozialisten verursachten Trennung vom geliebten Mann. Nur unter Druck und um weiteren Repressalien zu entgehen, haben sie sich 1938 zur Scheidung entschlossen.
Ihr Ehemann musste 1934 aus Deutschland flüchten. Er wurde 1942 in Warschau von der Gestapo ermordet.
Die Anarchistin, die Widerstandskämpferin; die Künstlerin
Schon während der Schulzeit beobachtete sie die Armut der Moabiter Arbeiterbewegung. Daraus entwickelte sich bei Margarete Kubicka eine Empörung über die ungerechten sozialen Verhältnisse in der Stadt. Sie stellte die Verbindung zur Zeitschrift Aktion her und beeinflusste die Gruppe mit ihren pazifistischen und linkskommunistischen Vorstellungen. Das zentrale Thema für Margarete war der Mensch - sie erzählte in ihren Bildern und Texten kollektive und individuelle Prozesse menschlichen Werdens, Denkens und Handelns. Sie engagierte sich in der kommunistischen Künstlergruppe Kommune.
Der Faschismus veränderte das Leben von Margarete Kubicka. Das Haus der Kubickis in der Onkel-Bräsig-Straße wurde mehrfach von SA-Männern durchsucht und Bilder zerstört. Margarete wurde zwangsversetzt - behielt aber ihre Anstellung als Lehrerin. Auch das Ausmaß der Zerstörungen durch den Krieg und der Gemütsstand vieler Berliner bestätigten sie in ihrer Anschauung über den verbrecherischen Krieg und ihre antifaschistische Grundhaltung. Trotz des hohen Risikos hat sie polnische Zwangsarbeiter, die in der Nachbarschaft untergebracht waren, mit Lebensmitteln versorgt; sie hat Freunde, die sich illegal in Berlin aufgehalten haben, beherbergt; sie nahm an Treffen von linksorientierten Britzer Anwohnern teil, in ihrem Haus trafen sich Antifaschisten.
Sie hat unter anderem Verbindung zu Theo Hausbach - Mitbegründer der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis. Es gibt eine Reihe von Bildern, die ihre ablehnende Haltung gegenüber der nationalsozialistischen Herrschaft dokumentieren. Von innerer Emigration kann in Bezug auf ihre Aktivitäten gegen die nationalsozialistische Barbarei nicht gesprochen werden. Für die Humanistin und Menschenfreundin war es eine Selbstverständlichkeit Menschen in Not zu helfen.
Kreszentia (Zenzl) Mühsam
Kreszentia (Zenzl) Mühsam, geb. Elfinger (* 27. Juli 1884 in Haslach in Oberbayern - † 10 März 1962 in Ostberlin) führte bereits in jungen Jahren ein unangepasstes Leben, aufbegehrend gegenüber den herrschenden Machtverhältnissen.
War sie zunächst ebenbürtige Gefährtin und verlässliche Verbündete Erich Mühsams bei der Durchsetzung gemeinsamer politischer Ziele, gestaltete sich ihr kämpferisches und tragisches Leben nach der Ermordung ihres Mannes als endlos wirkende Odyssee im Exil, mit dem einzigen Ziel der Rettung und Veröffentlichung des Nachlasses ihres Mannes.
Bewegte Zeiten in München
Als 5. Kind der Hopfenbauern und Gastwirte Creszentia und Augustin Elfinger wurde Zenzl mit etwa 16 Jahren in München als Dienstmädchen in Stellung gegeben. Sie hielt es meist nur wenige Monate an einer Arbeitsstelle aus, waren diese doch von Pflichterfüllung und Gehorsam geprägt. Doch Zenzl wollte sich nicht ducken.
Mit 18 Jahren brachte sie ihren Sohn Siegfried zur Welt. Minderjährig und kaum den eigenen Unterhalt verdienend, musste sie ihn in Pflege geben. Den Namen des Vaters behielt sie zeitlebens für sich.
Im Alter von 24 Jahren zog sie, offiziell als seine Hausangestellte, mit dem Maler und Bildhauer Ludwig Engler zusammen, denn eine wilde Ehe war nicht nur sittenwidrig, sondern ein Delikt.
Im November 1913 freundete sie sich mit Erich Mühsam an, mit dem sie ein Ziel teilte: die Befreiung der Menschheit von Gewalt und Unterdrückung.
Sie heirateten am 15. September 1915 und sie brachte Sohn Siegfried mit in die Ehe. 1918 stand sie an Erichs Seite auf den Barrikaden und rief mit ihm die Münchener Bevölkerung zur Beendigung des Krieges und zur Revolution auf. Nach kurzer Haft kämpfte sie von 1919 - 1924 für die Freilassung von Erich und anderer Räterevolutionäre. In dieser Zeit war sie bereits in der Roten Hilfe aktiv und organisierte außerdem eine Nähstube in München für die Opfer der Hungerkatastrophe 1920/21 in Russland.
Die Zeit in der Hufeisensiedlung
1927 zogen die Mühsams in die Dörchläuchtingstraße 48. Zenzl kümmerte sich um den Lebensunterhalt. Die Künstler und Schriftsteller (Verleger Leon Hirsch, Walter Kiaulehn, Heinrich Vogeler, Eheleute Kubicki) der Hufeisensiedlung trafen sich gerne bei ihnen zu angeregten Gesprächen - aber auch weil Zenzl legendär gut kochte. Ebenso verkehrten Wilhelm Pieck und Herbert Wehner im Hause. Die Nachbarkinder mochten besonders die Katze und Zenzls Kuchen. Sohn Siegfried Elfinger lebte und arbeitete von 1930 bis 1932 ebenfalls im Haus.
Verfolgung, Flucht und Exil
Das offene Haus stand ganz oben auf der schwarzen Liste der Nationalsozialisten. Regelmäßig von anonymen Anrufern bedroht, wurden ihnen im Dezember 1932 die Scheiben eingeschlagen. Am 27. Februar 1933, am Tag des Reichstagsbrandes, wurde Erich verhaftet. Zenzl war sehr verzweifelt und die Nachricht verbreitete sich schnell in der Siedlung. Es gelang Zenzl, Erichs Werke in der Nachbarschaft zu verstecken, wie z.B. Notizbücher bei Lena Reichle.
Am 10. Juli 1934 wurde Erich von der SS des KZ Oranienburg ermordet. Zenzl forderte eine öffentliche Untersuchung, was sie gleichsam in Gefahr brachte. Es gelang ihr immerhin, die Nazi-Justiz dazu zu bringen, Erichs Leichnam zur Beerdigung freizugeben.
Sie wurde gewarnt, dass die Gestapo sie im Anschluss an die Beerdigung Mühsams verhaften wolle. Zur gleichen Stunde floh Zenzl u.a. unter Mithilfe von Margarete Kubicka illegal über die Grenze nach Prag.
Dort veröffentlichte sie ihre Broschüre über Erichs Ermordung und bekam daraufhin die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.
Da die Umstände in Prag schlechter wurden und ihr zudem der KPD-Vorsitzende und vormalige Tischgast Wilhelm Pieck in der Sowjetunion die Veröffentlichung der Werke Mühsams zusicherte, reiste sie in Ermangelung an Alternativen im August 1935 nach Moskau. Nachdem sie den Nachlass Mühsams ins Land geholt hatte, wurde sie im April 1936 unter der Anklage "konterrevolutionärer trotzkistischer Aktivitäten" verhaftet.
Was nun begann, war eine fast 20-jährige Leidensgeschichte, in der Verhaftungen, Flucht, Denunziation, Observation, Verbannung und Straflager ihr Leben bestimmten.
Erst 1955, nach Stalins Tod, konnte sie nach fast 20 Jahren in die DDR ausreisen. Wie alle Überlebenden des Gulag musste sie hier eine Schweigeverpflichtung unterschreiben. Sie zog nach Ostberlin-Pankow in eine kleine Wohnung und wurde zeitlebens überwacht.
Der lange Weg bis zur Veröffentlichung Mühsams Nachlass
Es gelang ihr, in Moskau Mikrofilmkopien von Mühsams Schriften anzufertigten, die das ZK der SED aber unter Verschluss behielt. Zenzl kämpfte bis zu ihrem Tod um die Veröffentlichung. 1958 durfte eine kleine Auswahl von Gedichten erscheinen. Am 10. März 1962 verstarb sie.
Erst nach fast 40 Jahren erschienen 1994 bei dtv erste Mühsam-Tagebücher, bis jetzt nur ca. fünf Prozent des Gesamttextes. Eine Online-Edition, begonnen 2011, wird voraussichtlich bis 2018 mit der kompletten Darbietung der erhaltenen Tagebücher abgeschlossen sein.
1992 wurde ihre Urne in das Ehrengrab von Erich Mühsam auf dem Dahlemer Waldfriedhof überführt.
Quellen:
Uschi Otten: „Den Tagen, die kommen, gewachsen zu sein”. Zur Lebensgeschichte der Kreszentia Mühsam.
In: Der Bär von Berlin. Jahrbuch 2001 des Vereins für die Geschichte Berlins. Westkreuz-Verlag, Berlin 2001
Museum Neukölln: Das Ende der Idylle? Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung in Britz vor und nach 1933