22. Februar 2021 

Pressemitteilung der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts zu dem Zwischenbericht der Expertenkommission zum „Neukölln-Komplex” vom 22.02.2021

Der Gesamttenor des Zwischenberichts zeigt, dass eine behördeninterne Kommission - auch wenn sie z. T. aus externen Personen besteht - wenig zur Aufklärung beitragen kann, warum die Ermittlungen zu den seit 10 Jahren stattfindenden rechten Anschläge in Neukölln keine Erfolge zeigen. Frau Leichsenring und Herr Diemer haben als Verantwortliche der Kommission nicht nur Akten eingesehen und mit Vertreter*innen von Polizei, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft gesprochen, sondern auch mehrere Betroffene zu Gesprächen eingeladen. Die Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit haben sie nun in einem Zwischenbericht vorgelegt, der kaum über das bisher Bekannte hinausgeht.
Dass die Betroffenen die Erfolglosigkeit der Arbeit der Ermittlungsbehörden bedauern, ist eine Banalität, deren Erwähnung schon an Peinlichkeit grenzt. Ihre Äußerungen als Ausdruck von Unverständnis zu bezeichnen, verkehrt die Haltung der Betroffenen zu der erfolglosen Ermittlungsarbeit ins Gegenteil. Jede/r Einzelne von ihnen kann Ursachen anführen - und hat dieses auch in der Vergangenheit gegenüber der Öffentlichkeit bereits getan -, die seiner Auffassung nach die desaströse Erfolgsquote erklären. Sicherlich stimmen sie in Details nicht immer überein. Aber gemeinsam ist ihnen, dass es in den Ermittlungsbehörden Blockaden gibt, die die Aufklärungsvorgänge nicht nur behindert, sondern auch verhindert haben.
Wir ersparen uns die Aufzählung der bekannten Ungereimtheiten bei den bisherigen Ermittlungen. Diese Fehler und Versäumnisse der Behörden werden in dem Zwischenbericht mit dem Hinweis abgetan, die Kommission habe aus den Akten und den Gesprächen mit Vertreter*innen der Ermittlungsbehörden kein Behördenversagen feststellen können. Der massive Vertrauensverlust bei den Betroffenen gegenüber Polizei und Justiz beruhe in erster Linie auf der unterschiedlichen Sichtweise gegenüber der Ermittlungsarbeit. Häufig würden von Seiten der Betroffenen Perspektiven eingenommen, die durch eine Pressearbeit eines Teils der öffentlichen Medien entstehe, die Verdachtsmomente gegenüber Mitgliedern von Polizei und Justiz vorschnell in harte Fakten ummünze und damit Vorurteile aufbaue bzw. stärke.
Als vorläufiges Ergebnis schlägt die Kommission eine intensivere Kommunikation von Vertreter*innen der Ermittlungsbehörden mit den Betroffenen unter Einbindung der örtlicher Initiativen und des Bezirksamtes vor, um „das gegenseitige Verständnis und Vertrauen füreinander zu erhöhen, Verbindlichkeit zu schaffen und so gemeinsam gegen die der Tatserie zugrundeliegenden, seit Jahrzehnten bestehenden rechtsextremistischen Strukturen vorzugehen”.
Angesichts unserer Erfahrungen empfinden wir diesen Vorschlag als wenig ermutigend.
In den vergangenen Jahren haben Betroffene mehrere Gesprächsrunden initiiert, an denen Vertreter*innen vom LKA, dem Verfassungsschutz, der Staatsanwaltschaft sowie Innensenator Geisel bzw. sein Staatssekretär Akmann teilgenommen haben. Dabei wurde uns immer wieder versichert, dass die Ermittlungen im Zusammenhang zu den Neuköllner Straftaten immer in seiner Gesamtheit als einheitlicher Vorgang von einer im Team arbeitenden Gruppe bei der Staatsanwaltschaft bearbeitet würden und diese Vorgehensweise auch bei der Polizei ihren Niederschlag finde. Unseren Zweifel an der Gesamtbetrachtung, die sich auf den für uns nicht nachzuvollziehenden Einstellungen einzelner Ermittlungsverfahren stützten, wurde immer wieder entgegengehalten, alle Akten würden immer wieder auf mögliche Zusammenhänge und Verbindungen zwischen den Straftaten und den Tatverdächtigen überprüft.
In einem Gespräch mit Generalstaatsanwältin Koppers erfuhren wir dann, dass sie die Verfahren des Neukölln-Komplex auch deshalb an sich gezogen habe, weil diese ohne Aktivitäten von Seiten des leitenden Staatsanwalts als Einzelvorgänge von unabhängig voneinander arbeitenden Staatsanwälten bearbeitet worden seien und kein Engagement zur Aufklärung erkennbar gewesen sei.
Es lag und liegt nicht an der fehlenden Kommunikation, dass unser Misstrauen gegenüber staatlichen Organen und Instanzen sowie deren Ernsthaftigkeit, die Ermittlungen zu einem erfolgreichen Ergebnis zu bringen, nicht entkräftet wurde. Hier geht es nicht um unterschiedliche Sichtweisen, sondern um Betrug und Lüge.
Solange derartiges Behördenhandeln nicht thematisiert wird, haben Kommissionen und ihre Berichte lediglich die Alibifunktion, Aktivitäten vorzutäuschen, wo keine sind.
Der Zwischenbericht macht für uns noch einmal deutlich, wie notwendig die Forderung nach
Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist.

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