Als sich nach zwei Stunden der bis auf den letzten Platz besetzte Saal leerte, war der Wert von Literatur in den Gesichtern der Zuhörerschaft deutlich zu erkennen.
Kein noch so sorgfältig editiertes Geschichtsbuch kann die literarische Darstellung geschichtlicher Ereignisse in ihrer Wirkung ersetzen.
Anhand von drei autobiographischen Texten über Episoden aus ihrer Kindheit und Jugendzeit vermittelte Ina Paul Geschichts- und politisches Bewusstsein über die Kriegs- und Nachkriegszeit.
Es waren die auf den ersten Blick unbedeutend erscheinenden Alltagsdinge, die die Gewalttätigkeit ausdrückten, die das Leben in dieser Zeit nachhaltig prägte.
Die allgegenwärtige graue Haut der Menschen, das schmale Essen, die freudlose Kleidung, die Trennung von den Eltern, die Bombenflugzeuge am nächtlichen Himmel beherrschten das Erleben der jungen Ina Paul und ließen sich auch in Stunden der Freundschaft und des Spiels mit Gleichaltrigen nicht abschütteln.
Die Fortsetzung dieser unerbittlichen Wahrheit vermittelte Ina Paul den Anwesenden mit der abschließenden Erzählung Der Winter sechsundvierzig, mein Klavier und Pück.
Die aus einem Konzentrationslager kommende Pianistin Pück, die die Wohnung mit ihrem Klavierspiel füllte, war am Lageraufenthalt zerbrochen und hatte ihren Lebenswillen verloren.
Keiner in der Familie wusste, wie „sie über den Berg” und wieder auf ebenen Boden gebracht werden konnte.
Der Tod der Frau vermittelte eine nachhaltige Einsicht: Ohne dass die Worte „Terror des Krieges“ oder „Verbrechen des Faschismus” während des Nachmittags gefallen waren, standen diese im Raum.
Und damit erhielt der Literaturnachmittag angesichts des Krieges in der Ukraine, dem Sterben im Mittelmeer sowie dem Anwachsen völkischer Bewegungen in Deutschland und Europa aktuelle Bezüge.
Danke an Ina Paul für diesen Nachmittag.