27. Januar 2022 

Gemeinsam gegen Antisemitismus und Neonazismus

Insgesamt ca. 130 Menschen gedachten am Donnerstag, dem 27. Januar 2022, als Einzelpersonen oder in kleinen Gruppen, auf dem Platz vor der Hufeisentreppe in der Zeit von 10 bis 16 Uhr der Befreiung von Auschwitz und der Opfer des Nationalsozialismus.
Gezeigt wurde ein knapp achtminütiger Film, in dem der Auschwitz-Überlebende Otto Dov Kulka aus dem Buch „Landschaften der Metropole des Todes” Bruchstücke seiner Erinnerungen an das KZ Auschwitz, seine immer wiederkehrenden Bilder und Träume schildert.

Der Stand mit laufendenm Video

Im Ergebnis entsteht eine beeindruckende Reflexion, die bei dem Zuschauer/-hörer die Wahrnehmung der Vergangenheit verändert.
Viele Menschen in der ‚Welt nach Auschwitz’ haben nichts oder nicht allzu viel aus der Geschichte gelernt. Sie erinnern sich lediglich schnell daran, dass das Vergessen-Können das beste Überlebensmittel ist. Sie haben wieder oder weiterhin ihre Lieblings-Feindbilder und Sündenböcke, sie pflegen ihre Ressentiments und Vorurteile. Und sie scheinen aus allem kurzfristig immer unbeschadet hervorzugehen.

Otto D. Kulkas Buch mit dem Titel Landschaften der Metropole des Todes

Doch Kulkas Sichtweise zeigt, dass Vergangenheit tatsächlich nicht vergeht, ja nie vergangen ist. Seine Erinnerungen wirken gegenwärtig. Auch wenn man weiß, dass einmal Verlorenes unwiederbringlich verloren ist, dass Tote nicht wiederaufstehen, wird es von ihm über sein Zur-Sprache-Bringen wiederbelebt und dem Vergessen entrissen. Die gelesenen Fragmente wirken als ein vorläufiges Résumé: Kein Schlussstrich, solange die Erinnerung lebt.
Kulka spricht über Szenen seiner Kindheit, nicht um sie zu analysieren oder zu deuten. In ihnen zeigt er Formen und Mechanismen von Gewalt und Hilflosigkeit, die das Leben in Auschwitz charakterisierten, die Auschwitz erst ermöglichten, die es in etwas anderer Form immer noch gibt und die daher heutzutage uns alle angehen.
Niemand soll sich in der heutigen Zeit herausreden können.
Letzteres gilt auch in unserer Siedlung.
In der Nacht vom 25. auf den 26. Januar verteilte die Neonazi-Vereinigung „Der III. Weg” in der Fritz-Reuter-Alle Hasspamphlete, in denen unter der Überschrift „Mietwahnsinn” die Ursache für steigende Mieten und den Mangel an sozialem Wohnraum in Geflüchteten sowie allen „Fremdländern” gesehen wird. Wieder gibt es Sündenböcke, die für eine gesellschaftliche Entwicklung verantwortlich gemacht werden, auf die sie gar keinen Einfluss haben. Geflüchtete erklärt „Der III. Weg” kurzerhand zu Tatwerkzeugen von anonym aus dem dunklen Hintergrund operierenden ausländischen Spekulanten und Mächten, die als Drahtzieher deutsche Familien zugrunde richten wollen.

Sticker Nazis in den Mülleimer

Das Ziel ist durchschaubar: Die Mieter sollen rassistisch kategorisiert und in „gute Deutsche” und „schlechte Migranten” gespalten werden. Auf diese Weise wird von den eigentlichen Verursachern der Mietsteigerungen abgelenkt. In einer aus Menschen unterschiedlicher Kulturen bestehenden Neuköllner Einwohnerschaft können soziale Rechte nur verteidigt und verbessert werden, wenn wir alle unabhängig von unserer Herkunft und Kultur zusammenstehen.
Rassismus und völkischer Wahn haben schon einmal Deutschland zugrunde gerichtet. Auch dafür steht der Name Auschwitz.
Vereinigungen wie „Der III. Weg”, die sich bewusst in die Tradition der Nationalsozialisten stellen und deren Verbrechen entweder gutheißen oder kleinreden, haben weder in der Hufeisensiedlung noch anderswo eine Existenzberechtigung. Sie gehören auf den Müllhaufen der Geschichte, ihre Flyer und Broschüren entsprechend in den Papiermüllcontainer.

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