Eigentlich sollte es ein ruhiges Gedenken an die Opfer des antisemitischen Pogroms werden.
Ausgesucht hatten wir uns die ehemalige Apotheke des jüdischen Apothekers Adolf Mockrauer, Buschkrugallee 179. Beispielhaft wollten wir zeigen, wie auch in unserer Siedlung jüdische Menschen gewaltsam ausgegrenzt und in den Tod getrieben worden sind.
Menschen, die unter der Bewohnerschaft beliebt und anerkannt waren, Menschen, die sozial und hilfsbereit waren. Sie erfuhren auch Unterstützung, die sie allerdings vor der Gewalt nur unzureichend schützen konnte.
Adolf Mockrauer wurde enteignet, seiner Lebensgrundlage entzogen. Zwar gelang ihm die Flucht nach Südamerika, doch ohne berufliche Perspektive, mittellos und ohne soziale Kontakte nahm er sich aus Verzweiflung das Leben.
Wir wollten erinnern, wie sich die Täter an dem jüdischen Besitz bereicherten und diesen Besitz ungeschoren in das Nachkriegsdeutschland mitnehmen konnten.
Doch der feige Diebstahl der Stolpersteine in der Nacht vom 5. Auf den 6. November änderte vieles. Der 9. November 1938 gewann aufgrund dieser Schändung eine traurige Aktualität.
Mehr als 200 Menschen klatschen zu den Reden Beifall, wenn der Kampf gegen Neonazismus und Rechtspopulismus als Grundkonsens aller demokratischen Parteien und Organisationen angesprochen wurde.
Sie waren alle gekommen, um ihren Protest gegen die Schändung des Gedenkens an die Opfer des Faschismus zu erheben und unabhängig von ihren unterschiedlichen partei- und gesellschaftspolitischen Anschauungen die Gemeinsamkeiten im Kampf gegen rechts zu demonstrieren.
Bereits in den letzten beiden Tagen war deutlich geworden, auf welche Empörung der Raub der 16 Stolpersteine in Britz gestoßen ist.
So konnte die Neuköllner Bürgermeisterin auf der Kundgebung verkünden, dass die bisherigen Spendengelder nicht nur für den Ersatz der entwendeten Steine, sondern weit darüber hinaus für die Verlegung einer großen Anzahl weiterer Steine reichen.
Während Jürgen Schulte von Hufeisern gegen Rechts die Traditionslinie der neonazistischen Gruppierungen, die sich hinter dem Label „Freien Kräfte” verbergen, zu den Verbrechen des Novemberpogroms 1938 verdeutlichte, ging Chaja Böbel von der IG Metall-Schule Pichelsee auf die Schwierigkeiten bei der Überwindung von Antisemitismus und anderen Formen des Rassismus ein, die den Kampf gegen das Erstarken rechter Kräfte nicht zu einem Selbstläufer machen.
Alle drei Redner*innen forderten die Anwesenden dazu auf, Rassismus und Geschichtsrevisionismus, wo immer sie ihren Vertretern begegnen, nicht stillschweigend zuzusehen, sondern sich diesen Feinden einer demokratischen Entwicklung in den Weg zu stellen.
Anschließend zogen viele Teilnehmer*innen zu den Orten, an denen die sieben Stolpersteine der Hufeisensiedlung herausgerissen und damit die Gedenkorte geschändet wurden, um Blumen und laminierte Informationsblätter über den jeweiligen Widerstandskämpfer zu hinterlegen.
Diese Reaktion zeigt, dass der Angriff auf die demokratische Gedenkkultur, die sich auch in den Stolpersteinen ausdrückt, erfolglos, aber nicht folgenlos geblieben ist.
Die Schamlosigkeit mit der diese Attacke begangen wurde, hat viele Anwohner*innen aufgeschreckt und ihnen die Unmenschlichkeit der Täter und ihrer Gesinnung vor Augen geführt.
Die Anwesenden waren sich jedenfalls einig, dass sie vor den rechten Rassisten und Geschichtsrevisionisten nicht in die Knie gehen werden.